In Sachen Haushalt 2025 müssen Bensheims Parlamentarier jetzt Farbe bekennen
Nach dem unklaren Sachstand im Haupt- und Finanzausschuss, bei dem trotz mehrheitlicher Zustimmung zu Einzelanträgen der Fraktion aus CDU, SPD und FDP am Ende die Empfehlung stand den geänderten Haushalt abzulehnen, ist in der Stadtverordnetensitzung am 05. Juni die finale Haushaltsentscheidung angesagtBENSHEIM. - Seit knapp einem Jahr regiert in Bensheim die Sorge um die städtischen Finanzen, nachdem Gewerbesteuerrückzahlungen im mittleren zweistelligen Millionenbereich bekannt geworden waren.
Und seither herrscht Unklarheit bei den Mandatsträgern, wie dieses Finanzloch gestopft werden kann. Während die Stadtverwaltung dieses Problem vordergründig mit der Erhöhung der Grundsteuer B bewältigen möchte, sind die Parlamentarier eher auf der Suche nach Sparpotenzial bzw. der Erschließung neuer sonstiger Einnahmequellen.
In der vorbereitenden Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses (HuF) zur Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, 05. Juni, einigten sich dann die Parlamentarier mrhrheitlich auf eine Kapital-Rückführung in Höhe von 1 Millionen Euro aus der städtischen Einlage bei ihrer Tochter Marketing- und Entwicklungsgesellschaft (MEGB) sowie dem Ankauf mehrerer städtischer Parkhäuser durch die MEGB.
Zusätzlich soll die Grundsteuer B von seither 617 Hebesatzpunkten rückwirkend zum 01. Januar 2025 auf 1.000 Punkte erhöht werden (siehe dazu FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/index.php?id=31&tx_ttnews)
Dennoch war abschließend unklar, wie sich die Parlamentarier letztendlich entscheiden werden, denn der finale Beschluss im HuF war bei einer Gegenstimme des aus der Koalition ausscherenden FDP-Vertreters Harald Böddinghaus ("Mit uns wird es keine Steuererhöhungen geben") und ansonsten ausschließlich Enthaltungen negativ.
Vor der aktuell anstehenden Sitzung positionierten sich Vorsitzende der Stadtverordnetenfraktionen wie folgt:
Jürgen Kaltwasser, SPD-Fraktion:
„Die Sitzung des Haupt - und Finanzausschusses verlief erfreulich konstruktiv und ergebnisorientiert. Aufbauend auf den vorangegangenen interfraktionellen Arbeitsgruppensitzungen mit der Magistratsspitze sowie der Verwaltung konnten weitere Konsolidierungsmassnahmen auf den Weg gebracht werden.
Im Planentwurf findet sich durchaus sozialdemokratische Handschrift wieder. Wichtige Ziele konnten erreicht werden.
Uns war es wichtig, den schwierigen Spagat zu vollziehen, einerseits die Genehmigungsfähigkeit (Herstellen des aufsichtsbehördlichen Einvernehmens) des Etats sicherzustellen und auf der anderen Seite den vom Magistrat vorgeschlagenen Hebesatz der Grundsteuer B spürbar nach unten zu korrigieren.
Auch wurde ein Weg gefunden, die städtische Tochter MEGB in Abstimmung mit deren Geschäftsführerin durch eine teilweise Kapitalrückführung in die Haushaltskonsolidierung einzubeziehen.
Eine moderate Anhebung des Gewerbesteuer - Hebesatzes war aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage im Allgemeinen und mit Blick auf die Situation unserer mittelständischen Betriebe im Besonderen für uns in diesem Jahr keine Option.
Bei all den notwendigen Sparbeschlüssen sehen wir es dennoch als positiv an, dass ein größerer Kahlschlag bei den freiwilligen Leistungen im sozialen und kulturellen Bereich abgewendet werden konnte.“
Doris Sterzelmaier, GRÜNE:
„Im Haupt- und Finanzausschuss haben sich alle Fraktionen auf 1.000 Punkte Grundsteuer B in einer eigenen Hebesatzsatzung geeinigt. Für uns ist das die Obergrenze.
Wir wollen die Lasten auf mehrere Schultern verteilen, aber die von uns vorgeschlagene Erhöhung der Gewerbesteuer und der Parkgebühren wurden abgelehnt. Auch die Stelle für einen hauptamtlichen Stadtrat für Finanzen findet nicht unsere Zustimmung, trotz des Haushaltsdesasters und eines fehlenden Kämmerers.
Mit einem Minus von 23 Millionen Euro im ordentlichen Ergebnis ist das Haushaltsdefizit riesig. Einsparungen und Gebührenerhöhungen in Millionenhöhe sind hier schon eingerechnet. Ziel ist es, einen genehmigten Haushalt zu erreichen, um als Stadt wieder handlungsfähig zu sein.
Die Verwaltung schlägt eine Erhöhung der Grundsteuer B auf mehr als das Doppelte vor. Das ist für uns Grüne unsozial und keine Lösung.
Wir wollen die Lasten auf mehrere Schultern verteilen, aber die von uns vorgeschlagene Erhöhung der Gewerbesteuer und der Parkgebühren wurden abgelehnt. Auch die Stelle für einen hauptamtlichen Stadtrat für Finanzen fand keine Zustimmung, trotz des Haushaltsdesasters.
Stattdessen verlangt die Koalition, die für 2026 anstehende Erhöhung der Kinderbetreuungsgebühren zum 01. August dieses Jahres vorzuziehen, obwohl dies zeitlich kaum zu schaffen ist, wenn die Gremien und Eltern ordentlich informiert werden sollen. Wir haben nicht zugestimmt.“
Franz Apfel, BfB:
„Die Bürgermeisterin startete mit 1.740 Punkten Grundsteuer B in die Beratungen – ohne ernsthafte Sparvorschläge. Auch 1.275 Punkte sind noch zu hoch und unsozial. Durch intensive Beratungen der Fraktionen liegen wir nun bei unserem Vorschlag von 1000 Punkten. Das ist eine positive Überraschung, dass CDU und SPD und Grüne sich auf uns zubewegt haben. Wenn die Koalition noch einige Anträge von BfB und VuA mitträgt kommen wir unter die 1.000 Punkte.
Das jahrelange Zögern der Koalition beim Sparen hat unserer Stadt geschadet. Wir fordern:
Stellenbesetzungssperre von 6 Monaten (mit Ausnahmen)
Kürzungen bei Sach- und Dienstleistungskosten
Verkauf von Hoffart-Gelände und Hauptstraße 8
Rückführung von 4 Mio. Euro durch die MEGB
Erhöhung der Gewerbesteuer um 10 Punkte auf 400
Verlässliche Sparkassenausschüttung
Moderate Erhöhung der Parkgebühren
Nur so ist ein Haushalt unter 1.000 Punkten möglich. Dann stimmen wir zu.
BfB und VuA lehnen Standgebühren für Marktstände ab. Die meisten anderen Fraktionen ebenfalls. Das würde die Innenstadt weiter schwächen solange es keinen Nahversorger in der Innenstadt gibt.
Bürgersinn stärken: Wir wünschen uns mehr Eigeninitiative – Bäume gießen, Spielplätze sauber halten.
Positive Beispiele: Panoramabank in Gronau, Picknick in Schönberg, Büchervorstellungen in Fehlheim, Aktionen in Hochstädten – solche Beiträge stärken unsere Stadt.
Zukunftsprojekt: Eine echte Bürgerstiftung, in die Bürger, Firmen und Vereine einzahlen. Die Mittel sollen lokal und gemeinnützig eingesetzt werden.
Wir brauchen mehr interkommunale Zusammenarbeit und Land und Bund müssen die finanzielle Ausstattung der Kommunen deutlich stärken. Es muß gelten: wer bestellt bezahlt!
Zum Kaufhaus Krämer muss endlich eine Entscheidung getroffen werden: entweder es gibt einen Investor mit Betreiber oder verkaufen.
Und zum Bürgerhaus: es geht nicht, dass die Stadt unser Bürgerhaus saniert und die Kosten zur Miete zu hoch für die Bensheimer Vereine sind. Das muß grundlegend geändert werden.
Statt die Zuschüsse an die Vereine auf Null zu setzen haben wir uns für 50 % Zuschüsse stark gemacht. Bensheim lebt vom Engagement der Vereine.“
Dr. Rolf Tiemann, FWG:
„Bekanntermaßen ist die primäre Ursache für die Haushaltsmisere der Stadt das drastisch geringere Gewerbesteueraufkommen.
Wies der im Februar in erster Lesung vorgestellte Haushaltsplan 2025 bereits einen Fehlbedarf von 18,5 Mio Euro auf, so erhöhte sich dieser bis Mai 2025 auf 23,1 Mio Euro - trotz der geplanten Anhebung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von 617 auf 1.275 Punkten.
Eine Reihe von Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung bezüglich Kosteneinsparungen und Mehreinnahmen sind in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe gemeinsam mit der Verwaltung in konstruktiver Weise besprochen und vereinbart worden.
Der Vorschlag der Kommunalberatung, Beteiligungsgesellschaften der Stadt in stärkerem Maße an der Konsolidierung des Haushaltes zu beteiligen, stieß auf Bedenken in der Verwaltungsspitze, insbesondere bezüglich der Beteiligung der MEGB und der Sparkasse. #
Der Fokus lag nach Ansicht der FWG bedauerlicher Weise vor allem darauf, Gründe zu finden, warum die Beteiligung nicht möglich oder nachteilig ist und weniger darauf, was ist nötig, um eine sinnvolle Beteiligung zu erreichen.
Positives Ergebnis der Beratungen im HFA ist aus Sicht der FWG die Einigung der Fraktionen auf einen Hebesatz von 1.000 für die Grundsteuer B für das Jahr 2025. Negativ ist, dass kein positives Votum zum Haushaltsplan und zum Haushaltsicherungskonzept erreicht wurde.
Somit sind bis zur Stadtverordnetenversammlung am 05. Juni weitere Verhandlungen und Anpassungen zwingend erforderlich, um den Haushalt vor der Sommerpause beschließen zu können.“
Rolf Kahnt, Vernunft und Augenmaß (VuA):
„Unsere Position ist nach wie vor klar und unmissverständlich auch nach der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am vergangenen Montag betonen wir, dass wir die städtische Finanzplanung für 2025 und Folgejahre weiterhin entschieden ablehnen.
Kahnts Fraktionskollege Matthias Penteker erinnert nachdrücklich daran, dass es allein seine Fraktion und keine andere war, die im Schulterschluss mit der BfB-Fraktion (Bürger für Bensheim) bereits vor Monaten forderte, dass die von Bürgermeisterin Klein als Finanzdezernentin vorgesehene exorbitante Erhöhung der Grundsteuer B auf schwindelerregende 1.660 oder 1.275 Punkte aus Sicht von VuA und BfB maximal auf 1.000 Punkte angehoben werden dürfe.
Die Fraktion VuA hatte dabei argumentiert, dass sie die Vorhaben der Bürgermeisterin mit deren unverhältnismäßiger Ausgabenpolitik trotz fehlender Rücklagen und erheblich zurückgegangener Gewerbesteuerzuflüsse keinesfalls billigen werde, da ein echter Sparwille nicht erkennbar wäre und sei.
>Wir als Stadtverordnete<, so betont Kahnt, „sehen uns allein in der Verantwortung gegenüber den steuerzahlenden Bürgern Bensheims und nicht gegenüber einer Stadtverwaltung, die in den vergangenen drei Jahren im Ergebnis nur unverantwortliche Versäumnisse, Fehlleistungen und Misswirtschaft vorzuweisen hat.
Dabei habe es nicht allein von VuA zahlreiche und sinnvolle Vorschläge gegeben, wie zusätzlich Einnahmen generiert werden könnten, u.a, Verkauf von GGEW-Anteilen, Verkauf Kaufhaus Krämer, Verkauf Hoffard-Gelände, Stellenbesetzungssperre bei der Stadt usw. „Alle unsere Vorschläge trafen nur taube Ohren“, ergänzt Penteker.
„Wir hätten uns gewünscht, dass alle im HFA vertretenen Fraktionen für unsere geforderten maximal 1.000 Punkte Grundsteuer B gestimmt hätten“, so Kahnt und Penteker, „unverständlich“, dass die FDP als einzige Fraktion gegen die VuA-1.000 Punkte Forderung stimmte. „Wir freuen uns“, bekräftigt VuA, „dass unser Antrag auf 1.000 Punkte schließlich angenommen wurde“.
Nicht gefallen habe der Fraktion VuA, dass ihr Antrag auf eine geringfügige Anhebung der Gewerbesteuer um 10 Punkte von 390 auf 400 Punkte keine Mehrheit fand.
Die Fraktion VuA ist der Ansicht, dass in der derzeitig katastrophalen finanziellen Lage der Stadt mit über 42 Millionen Euro Fehlbeträgen jeder, also auch Gewerbetreibende, seinen bzw. ihren solidarischen Beitrag leisten müssten, damit die Grundsteuer B für die Bürger Bensheims jetzt und in Zukunft so niedrig ausfällt, wie es nur geht.
Damit die finanzielle Last für die Stadtgesellschaft nicht weiter ins Unermessliche steige, müsse die Bürgermeisterin endlich einsehen, so VuA, dass es zu weiteren Sparmaßnahmen kommen müsse, mithin auch bei freiwilligen Leistungen, Kultur und städtebaulichen Vorhaben.
„Wir können uns sehr vieles einfach nicht mehr leisten, auch wenn wir es uns vielleicht wünschen, Punkt aus!“ bringen Kahnt und Penteker es auf den Nenner. Wenn die Bürgermeisterin vorsehe, dass die Grundsteuer B im Jahr 2026 auf zusätzlich 1.275 Punkte und im Jahr 2027 auf 1.660 Punkte angehoben werden solle, dann gäbe es nicht nur aus der Fraktion VuA auch zukünftig einen erheblichen Widerstand.
Schließlich, so die Fraktion abschließend, hätten dabei die Wähler bei der Kommunalwahl 2026 auch noch ein erhebliches Wörtchen mitzureden.