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Frauenhandball-Traditionsstandorte in Gefahr

In der Bensheimer Weststadthalle tragen die Handballerinnen der Flames ihre Heimspiele in der 1. Bundesliga aus. Foto: Pressedienst Bensheim

Bensheim und Metzingen kritisieren Auflagen der Handball Bundesliga Frauen

BENSHEIM. - Die Flames sind nicht nur ein Aushängeschild für die Region. Sie sind auch Botschafterinnen für die Sportstadt Bensheim. In den vergangenen Jahren hat sich die Mannschaft nicht nur in der 1. Handball-Bundesliga der Frauen etabliert – sie zählen mittlerweile zu den Top-Teams in Deutschland.

Eigentlich könnte die HSG Bensheim/Auerbach sorgenfrei in die Zukunft blicken, wären da nicht die Auflagen der Handball-Bundesliga Frauen (HBF). Der Verband hat eine Professionalisierungsstrategie auf den Weg gebracht, die „die Existenz zahlreicher Traditionsvereine gefährdet“.

Zu diesem Schluss kommen Bürgermeisterin Christine Klein, Erste Stadträtin Nicole Rauber Jung sowie die Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh und Erster Bürgermeister Patrick Hubertz aus Metzingen. Die dortige die Turn- und Sportgemeinschaft ist ebenfalls sehr erfolgreich in der 1. Liga unterwegs und massiv von der Professionalisierungsstrategie betroffen.

In vollem Umfang sollen die Auflagen ab der Saison 2026/27 greifen. Vor der Ligakonferenz der HBF an diesem Wochenende haben sich die Rathausspitzen beider Städte nun mit einem Schreiben an den Verband gewandt.

In der Kritik steht vor allem die Forderung nach einer zweiten Längstribüne für angeblich attraktivere TV-Bilder. Die Weststadthalle mit einer Kapazität von 2000 Plätzen erfüllt diese Kriterien ebenso wenig wie die Spielstätte in Metzingen. Heißt in der Praxis: Die Flames wäre zu einem Umzug weg aus Bensheim gezwungen.

„Die Professionalisierungsstrategie wurde zusammen mit dem Deutschen Handballbund (DHB) noch vor der Corona-Pandemie erarbeitet und stammt daher aus einer Zeit, die den heutigen wirtschaftlichen Begebenheiten nur noch bedingt entspricht und dem immer als bodenständig und nahbar wahrgenommenen Handballsport gesellschaftlich extrem schadet“, betonen die Verwaltungsspitzen beider Rathäuser.

Der Profi-Handball sei schon seit jeher – im Gegensatz zum Fußball – in vielen kleineren Orten, Städten und ländlichen Regionen tief verwurzelt. Diese Städte, wie Bensheim oder Metzingen, werden seit Jahrzehnten mit volksnahem und hochklassigem Handballsport in Verbindung gebracht.

„Dort gibt es eine sehr große Identifikation der Fangemeinschaft mit ihren Mannschaften – dementsprechend emotional und positiv ist auch die Stimmung bei Heimspielen. Handball wird dort noch gelebt und nicht nur schnöde vermarktet, wie dies an Standorten der Fall ist, die rein zur Auslastung von Großsporthallen entstanden sind“, heißt es in dem Schreiben an HBF-Geschäftsführer Christoph Wendt.

Erfolgreiche Jugendarbeit, Fankultur, gefestigte Strukturen in den Vereinen sind das Fundament des Handballsports und die Basis für höherklassigen Handball. In Bensheim, in Metzingen und sicher an vielen anderen Standorten mit höher- und hochklassigem Handball haben die oben genannten Faktoren mindestens ebenso viel Gewicht wie Hallenstandards.

„Wir sind uns darüber bewusst, dass höhere Einnahmen mit einer besseren Vermarktung einhergehen und unterstützen dies auch ausdrücklich. Das muss aber mit Augenmaß und Weitsicht geschehen und darf nicht die Zukunft und vor allem die gesellschaftliche Akzeptanz des gesamten Handballsports gefährden“, verdeutlichen die Stadtspitzen.

Metzingen und Bensheim haben eine gewachsene, sehr große Handball-affine Fangemeinde und einen großen Einzugsbereich. Bensheim und der Standort Weststadthalle bieten große Nähe zum Spielfeld, eine einzigartige Atmosphäre und eine emotional große Verbundenheit zwischen Flames und Fans.

Diese Faktoren gelten sicherlich auch für weitere Spielstätten, die vielleicht nicht die gewünschten Standards erfüllen, dafür aber ein stabiles Fundament und eine Verankerung in einer sportbegeisterten Gesellschaft bieten, die für den Erfolg des Handballsports nötig sind.

Bensheim und Metzingen könnten die Auflagen der Saison 2025/26 mit überschaubarem finanziellem Aufwand dauerhaft sicherstellen, während die Auflagen ab der Saison 2026/27 „achtstellige Investitionskosten zur Folge hätten. Ein realer Mehrwert für die TV-Übertragungen würde damit nicht generiert, da dort ja immer nur eine Längstribüne gefilmt wird.

Diese Divergenz zwischen immensen Investitionskosten und größerer Marketingerträge für die HBF steht in keinem wirtschaftlichen Verhältnis und ist auch mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage weder Handballfans noch der Bevölkerung in den heutigen Zeiten zu vermitteln“.

Christine Klein, Carmen Haberstroh, Nicole Rauber-Jung und Patrick Hubertz appellieren an den Verband, den bislang eingeschlagenen Weg zu überdenken – ansonsten drohen schon bald deutlich mehr traditionsreiche Standorte von der Handballlandkarte zu verschwinden.

„Das kann nicht die Intension der HBF und des DHB sein.“ Das Quartett bittet Geschäftsführer Wendt eindringlich, im Rahmen der Ligakonferenz die Argumente aus Bensheim und Metzingen vorzutragen und den Kommunen die Möglichkeit zu bieten, in „einen konstruktiven Austausch mit Ihnen zu kommen, um gemeinsam pragmatische und wirtschaftlich tragfähige Lösungen zu erarbeiten, die auch der Öffentlichkeit zu vermitteln sind“.

Noch steht hochklassiger Handball auf einem stabilen Fundament, das die Mischung aus regionaler Verbundenheit, gewachsenen Vereinsstrukturen und erfolgreicher Jugendarbeit bietet. Die große Gefahr ist jedoch, dass diese Stabilität verlorengeht.

„Ich hoffe, dass es eine Lösung geben wird, die alle Interessen berücksichtigt. Denn wir wollen unsere Flames nicht verlieren. Sie gehören zu Bensheim“, so Bürgermeisterin Christine Klein abschließend, die Oberbürgermeisterin Haberstroh und Erstem Bürgermeister Patrick Hubertz für die gute Zusammenarbeit und in dieser Angelegenheit dankte.

Dem Vorstoß aus Metzingen, sich direkt an den Geschäftsführer der HBF zu wenden, habe man sich im Bensheimer Rathaus gerne angeschlossen.