Forschung an bestrahlten Brennstäben

Den Fortschritt der Arbeiten sehen sich (ab 3. von links) BGZ-Forschungsprojektleiter Dr. Maik Stuke, BGZ-Forscher Dr. Peter Kaufholz und der stellvertretende BGZ-Projektleiter Timo Neikes mit den Vertretern von Studsvik in den Laboren in Schweden an.

In einer heißen Zelle der Firma Studsvik in Schweden werden die Segmente der bestrahlten Brennelemente für das Forschungsprojekt LEDA untersucht. Fotos: Pressedienst Studsvik Nuclear AB
ESSEN. – Sieben Monate lang hat die BGZ in einem Forschungsprojekt Brennstäbe in einer Heißen Zelle künstlich altern lassen. Im nächsten Schritt werden diese nun experimentell untersucht.
Mit den gewonnenen Daten werden weitere Erkenntnisse über das Verhalten von bestrahlten Brennelemente aus dem Kernkraftwerk-Betrieb gewonnen. Diese sind von großer Bedeutung für die verlängerte Zwischenlagerung der hochradioaktiven Abfälle.
„Eine Wärmebehandlung der Brennstäbe über mehrere Monate hinweg ermöglicht uns völlig neue Untersuchungsmöglichkeiten und Erkenntnisse zum Langzeitverhalten bestrahlter Brennelemente", sagt Dr. Maik Stuke, Leiter des BGZ-Forschungsprojekts LEDA (Long-Term Experimental Dry Storage Analysis).
Bislang wurden solche Wärmebehandlungen nur über wenige Stunden oder Tage durchgeführt. „Das liegt daran, dass eine solche Behandlung sehr aufwendig und fehleranfällig ist“, erläutert Stuke.
Eine detaillierte Planung und umfangreiche Tests im Vorfeld sorgten für einen reibungslosen Ablauf und erfolgreichen Abschluss der Wärmebehandlung.
Dabei wurden Abschnitte von sechs bestrahlten Brennstäben über sieben Monate in den Laboren der Firma Studsvik in Schweden einem bestimmten Temperaturverlauf ausgesetzt.
Dieser folgt dem Temperaturverlauf, der im Inneren der Behälter herrscht, die die BGZ in ihren Zwischenlagern aufbewahrt. So können Alterungseffekte der Brennstäbe detailliert untersucht werden, ohne Behälter öffnen zu müssen.
Im nächsten Schritt werden nun die mit Wärme behandelten Brennstäbe analysiert und die daraus gewonnenen Daten interpretiert. Im Rahmen des Forschungsprojekts werden weitere bestrahlte Brennstäbe untersucht, darunter auch solche aus deutschen Kernkraftwerken.
Mit dem Vorhaben möchte die BGZ die Frage beantworten, wie sich bestrahlte Brennelemente in der trockenen Zwischenlagerung über einen langen Zeitraum verhalten.
Die Ergebnisse aus den Untersuchungen fließen in die Genehmigungsanträge für die verlängerte Zwischenlagerung ein, in denen das bundeseigene Unternehmen die Sicherheit der Aufbewahrung der hochradioaktiven Abfälle nach dem jeweils aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nachweisen muss.
Hintergrund:
Die Aufbewahrung radioaktiver Abfälle ist in Deutschland auf 40 Jahre befristet, die Genehmigungen für die Zwischenlager der BGZ laufen ab 2034 sukzessive aus. Eine verlängerte Zwischenlagerung ist notwendig, da erst Mitte des Jahrhunderts ein Endlagerstandort benannt werden soll.
Anschließend wird es noch mehrere Dekaden dauern, bis alle Behälter mit hochradioaktiven Abfällen an das betriebsbereite Endlager abgegeben sind. Auf die verlängerte Zwischenlagerung bereitet sich die BGZ seit ihrer Gründung im Jahr 2017 vor.
Zentraler Baustein dafür ist ihr Forschungsprogramm (https://bgz.de/forschungsprogramm/), in dem unter anderem das Langzeitverhalten von Brennelementen und Behältern untersucht wird.
Das Forschungsprojekt LEDA konzentriert sich auf die Untersuchung von Alterungseffekten bestrahlter Brennelemente unter Bedingungen der verlängerten Zwischenlagerung. Das BGZ-geführte Projekt mit internationaler Beteiligung ist 2021 gestartet. Weitere Informationen sind hier erhältlich: https://bgz.de/forschungsprogramm/#leda
Forschungsprojekt LEDA: „Verhalten von Brennelementen besser verstehen“
Um herauszufinden, wie bestrahlte Brennstäbe altern, die die BGZ in ihren Zwischenlagern aufbewahrt, hat das bundeseigene Unternehmen das Forschungsprojekt LEDA initiiert.
Projektleiter Dr. Maik Stuke erläutert im Interview, wie die Untersuchungen laufen und warum dieses Vorhaben für die Zwischenlagerung in Deutschland wichtig ist.
Herr Dr. Stuke, Sie leiten das Forschungsprojekt LEDA. Worum geht’s dabei?
Die BGZ ist für die sichere Aufbewahrung der Brennelemente bis zur Abgabe an ein Endlager verantwortlich. Um die Sicherheit der Zwischenlagerung sowie die Transportfähigkeit der Behälter zu gewährleisten, müssen wir nachweisen, dass die Schutzziele eingehalten werden.
Diese sind der sichere Einschluss des radioaktiven Materials, die Unterbindung von Kettenreaktionen im Behälter, die Abschirmung der Strahlung sowie die Wärmeabfuhr.
Die Untersuchungen zum Nachweis der Sicherheit wurden bereits für die aktuell gültigen Genehmigungen von 40 Jahren erbracht. Dafür liegen uns Daten vor.
Da sich die Dauer der Zwischenlagerung verlängert, erweitert die BGZ nun diese Datenbasis durch weiterführende Untersuchungen und passt sie an die neuen Anforderungen an. Zu diesem Zweck haben wir ein Forschungsprogramm aufgestellt.
Ein zentrales Projekt ist LEDA. In diesem Projekt führen wir Experimente an in Kernkraftwerken bestrahlten Brennstäben durch. Besonders interessiert uns, ob – und falls ja, unter welchen Bedingungen – die Brennstäbe ihre Integrität verlieren, also umgangssprachlich „kaputt gehen“.
LEDA findet in der wissenschaftlichen Community auch international Beachtung. Was ist das Besondere an diesem Forschungsprojekt?
LEDA ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Zum einen zeichnet es sich durch den außergewöhnlichen Untersuchungsumfang aus – sowohl in Bezug auf die Charakteristika der Brennstäbe als auch auf den innovativen Ansatz der Langzeitwärmebehandlung.
Zum anderen ist es eines der wenigen Projekte weltweit, das gezielt darauf ausgerichtet ist, die sicherheitstechnische Datenbasis für die verlängerte Zwischenlagerung zu erweitern.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die experimentelle Methodik: LEDA ermöglicht detaillierte mechanische Untersuchungen an Brennstäben unter realitätsnahen Bedingungen, wie sie für die Zwischenlagerung in Deutschland typisch sind.
Zudem profitiert das Projekt von einer internationalen Zusammenarbeit – etwa durch die Nutzung der Heißen Zellen von Studsvik Nuclear AB in Schweden.
Welche Daten wollen Sie mit dem Projekt gewinnen?
In LEDA generieren und sammeln wir umfassende Daten zum Langzeitverhalten bestrahlter Brennelemente. Dafür untersuchen wir Abschnitte einzelner Brennstäbe, unter anderem aus deutschen Kernkraftwerken wie dem KKW Emsland und Gundremmingen.
Diese Daten sind aus mehreren Gründen entscheidend: Sie helfen uns, das Verhalten der Brennelemente während der Zwischenlagerung besser zu verstehen und fließen direkt in die Sicherheitsnachweise für die Genehmigungsverfahren zur verlängerten Zwischenlagerung ein.
Im Fokus von LEDA stehen insbesondere die Eigenschaften der Hüllrohrmaterialien und Brennstäbe, der Einfluss des Trocknungsprozesses auf das Verhalten der Brennelemente sowie Prognosen zur langfristigen Integrität der Brennstäbe.
Die gewonnenen Daten ermöglichen es, realistische Vorhersagen zum Materialverhalten zu treffen und tragen damit maßgeblich zur Weiterentwicklung der Sicherheitskonzepte für die Zwischenlagerung bei.
Und wie machen Sie das konkret?
Die Untersuchungen finden in Heißen Zellen von Studsvik Nuclear AB statt. Zunächst werden die Segmente der Brennstäbe gründlich untersucht, um ihre Eigenschaften so genau wie möglich zu bestimmen. Dafür setzen wir sowohl zerstörende als auch zerstörungsfreie Prüfmethoden ein.
Zu den zerstörungsfreien Tests gehören beispielsweise die Bestimmung der Radioaktivität und die Messung der Oxidschichtdicke am Brennstab. Bei den zerstörenden Tests wirken beispielsweise Druck oder Zug auf die Brennstäbe ein.
Außerdem fertigen wir verschiedene Mikroskopie-Aufnahmen an, um die Materialstruktur im Detail zu analysieren. Nach dieser Voruntersuchung haben wir ein sehr genaues Bild von den Eigenschaften jedes Brennstabs.
Dann folgt der entscheidende Schritt: die künstliche Alterung der Segmente. Dafür werden sie über mehrere Monate in der Heißen Zelle einem Temperaturverlauf ausgesetzt, der vergleichbar mit dem Temperaturverlauf in der trockenen Zwischenlagerung ist.
Nach dieser mehrmonatigen Wärmebehandlung testen wir die Materialien erneut ausführlich, um mögliche Veränderungen genau zu bestimmen.
Sie sagen, eine solche Langzeitwärmebehandlung sei sehr aufwendig. Warum?
Arbeiten in Heißen Zellen sind prinzipiell immer sehr aufwendig. Sie müssen akribisch geplant werden und wir können nur auf Equipment zurückgreifen, welches zuvor in die Heiße Zelle eingebracht wurde. Der Platz und die Möglichkeiten sind also limitiert.
Die Durchführung der Experimente und auch die gesamte Handhabung der Brennstabsegmente sowie der Versuchsaufbauten erfolgt mittels sogenannter Manipulatoren, also einer Art Roboterarm, der von außerhalb der Heißen Zelle gesteuert wird.
Hinzu kommt bei LEDA, dass die Wärmebehandlung, die den Alterungsprozess simuliert, mehrere Monate andauert. In dieser Zeit ist der Platz in der Heißen Zelle dann für andere Arbeiten blockiert.
Welche Vorbereitungen waren im Vorfeld der Versuche nötig? Wie lange haben diese gedauert?
Bei solch großen und umfangreichen Projekten wie LEDA ist es oft schwierig, im Nachhinein einen klaren Startpunkt festzulegen. Schon vor rund zehn Jahren wurde in nationalen und internationalen Veröffentlichungen diskutiert, dass unser Wissen für die Sicherheitsnachweise über die bisher genehmigten 40 Jahre Zwischenlagerung hinaus erweitert werden muss.
Konkreter wurde es dann unter anderem im Rahmen eines von der OECD/NEA geleiteten internationalen Großforschungsprojekts in Norwegen, in dem erste Planungen und Versuchsaufbauten erstellt wurden.
Die BGZ hat sich ab 2020 intensiver mit der Idee eigener experimenteller Untersuchungen befasst und 2021 mit der konkreten Planung begonnen. Der nie genutzte Versuchsaufbau aus dem Großforschungsprojekt in Norwegen konnte übernommen werden und wurde umfangreichen Anpassungen und Tests außerhalb der Heißen Zelle unterzogen.
Nach erfolgreichen Prüfungen wurde er in die Heißen Zellen von Studsvik Nuclear AB in Schweden verbaut und es folgten weitere umfangreiche Tests, bis wir sicher waren, dass alle Systeme wie vorgesehen funktionieren. Parallel dazu mussten wir sicherstellen, dass auch geeignete Brennstäbe für unsere Experimente zur Verfügung stehen.
Zwar konnten wir auf bereits für frühere Untersuchungen zu Studsvik transportierte Brennstabsegmente zurückgreifen, doch um eine möglichst repräsentative Auswahl im Hinblick auf das von der BGZ verwahrte Inventar zu gewährleisten, waren zwei weitere Transporte erforderlich.
Ende 2024 wurde dann die erste von insgesamt drei geplanten Langzeit-Wärmebehandlungen erfolgreich abgeschlossen.
Und wie geht’s nun weiter?
Nun steht die Nachcharakterisierung der Brennstäbe aus der ersten Langzeitwärmebehandlung an, die weitere wichtige Daten liefern wird – insbesondere auch zur mechanischen Integrität der Brennstäbe.
Dafür werden die sechs Brennstabsegmente, die die erste Langzeitwärmebehandlung durchlaufen haben, umfassend getestet. Wir wiederholen dabei die Untersuchungen der Vorcharakterisierung, um Veränderungen genau zu erfassen. Durch diese Wiederholung können wir sehr präzise den Einfluss der simulierten Alterung bestimmen.
Darüber hinaus erfassen wir zusätzliche, besonders wichtige Daten zur Verformbarkeit der Brennstäbe. Dazu gehören unter anderem Biege- und Bruchtests, bei denen wir beispielsweise messen, welche Kräfte erforderlich sind, damit ein Brennstabhüllrohr bricht und Brennstoff austreten kann.
Diese Erkenntnisse sind wichtig, um die mechanische Stabilität der Brennstäbe über lange Zeiträume hinweg bewerten zu können. Anschließend erhält jedes Brennstabsegment ein individuell zugeschnittenes Testprogramm, das weiterführende Analysen ermöglicht.
Parallel dazu bereiten wir die nächste Wärmebehandlung vor. Dafür werden neue Brennstabsegmente ausgewählt und wieder einer detaillierten Vorcharakterisierung unterzogen, um später die Auswirkungen der Alterung präzise bewerten zu können.
Sie sprechen von „völlig neuen Erkenntnissen“ durch diese Methode. Welchen Mehrwert bietet die Langzeitwärmebehandlung im Vergleich zu kurzen Wärmebehandlungen?
Durch die deutlich längere Wärmebehandlung im Vergleich zu bisherigen Experimenten können wir den Alterungsprozess der Brennstäbe wesentlich realistischer simulieren.
So lassen sich beispielsweise für bestimmte Diffusionsprozesse innerhalb der Hüllrohrmaterialien Gleichgewichtszustände annehmen, die unter realen Lagerbedingungen auftreten. Das können zum Beispiel Wanderungen von Wasserstoffatomen innerhalb des Hüllrohrs zu energetisch günstigeren Positionen sein.
Kürzere Wärmebehandlungen führen hingegen oft dazu, dass bestimmte Zustände quasi „eingefroren“ werden. Dadurch entstehen Effekte, die nicht eindeutig der tatsächlichen Zwischenlagerung entsprechen.
Dank der längeren Wärmebehandlung können wir die Ergebnisse nun direkt auf die von uns aufbewahrten Brennelemente übertragen – ein entscheidender Vorteil.
Wie lassen sich daraus Prognosen für das Langzeitverhalten von Brennelementen generieren?
Wir stellen sicher, dass unsere Untersuchungen möglichst realistische und aussagekräftige Ergebnisse liefern. Direkt geschieht dies durch die gezielte Auswahl prototypischer Brennstäbe, die relevante Eigenschaften des gesamten Inventars abdecken, das die BGZ in ihren Zwischenlagern aufbewahrt.
Indirekt nutzen wir statistische Auswertungen sowie die Implementierung unserer Erkenntnisse in Modelle. Ein Teil der erhobenen Daten fließt in die Weiterentwicklung dieser Modelle ein, während ein weiterer Teil ihrer Überprüfung und Validierung dient. Dadurch können wir belastbare Prognosen für die verlängerte Zwischenlagerung erstellen.
Über welche Zeiträume sprechen wir dabei?
Sobald Prognosemodelle erstellt und validiert sind, hängen die Ergebnisse – also die Vorhersagen – vereinfacht gesagt von der Temperatur der Brennstäbe ab. Diese Temperatur lässt sich über die Nachzerfallsleistung mit der individuellen Lagerzeit eines Brennelements im Behälter verknüpfen.
Das ermöglicht es uns, das mechanische Verhalten der Brennstäbe auch für sehr lange Zeiträume zuverlässig vorherzusagen – insbesondere für „kalte“, also bereits stark abgeklungene Brennstäbe. Je nach Beladung und individueller Historie der Brennelemente können diese Zeiträume teils sogar 100 Jahre umfassen.
Welche Erkenntnisse hat die BGZ bislang aus dem Forschungsprojekt gewonnen?
Durch die enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen Stakeholdern konnten wir bereits wertvolle neue Erkenntnisse über die in LEDA genutzten Brennelemente gewinnen:
Dazu gehören detaillierte Einblicke in ihre Bestrahlungsprozesse im Reaktor, in die Trocknungsprozesse vor der Zwischenlagerung, in die Fertigung der Brennelemente sowie in die angewandten experimentellen Methoden zur Analyse.
Mit wem arbeitet die BGZ in dem Forschungsprojekt zusammen?
In dem Projekt LEDA arbeiten wir mit Studsvik Nuclear AB und verschiedenen weiteren Stakeholdern zusammen – darunter Kernkraftwerksbetreiber, Brennelementhersteller und internationale Forschungseinrichtungen.
Wir diskutieren unser Vorgehen und Ergebnisse mehrfach im Jahr auf verschiedenen nationalen und internationalen Konferenzen, Tagungen und Workshops und sind in einem permanenten Austausch mit der internationalen wissenschaftlichen Community.
Vielen Dank für das Gespräch!