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Geschichtswerkstatt BĂŒdingen: So spannend kann Regionalgeschichte sein

Landrat Jan Weckler (links) und Joachim Cott vor den BestĂ€nden der aktuell verfĂŒgbaren Veröffentlichungen.

WETTERAUKREIS BÜDINGEN. - Joachim Cott, pensionierter Gymnasiallehrer fĂŒr Geschichte, Politik und Philosophie, betreibt seit 15 Jahren die Geschichtswerkstatt BĂŒdingen.

Über 80 BĂŒcher zur Geschichte der Stadt und der Region sind dabei entstanden. Landrat Jan Weckler stattete dieser Tage einen JubilĂ€umsbesuch ab.

Der Begriff der Werkstatt leitet sich von den SchreibwerkstÀtten ab, die in den 1970er und 1980er Jahren verbreitet waren.

„Geschichte ist viel zu wichtig, als dass man sie allein den Historikern ĂŒberlassen dĂŒrfe.“ Diese Erkenntnis stammt von dem Gießener Philosophen Odo Marquardt.

Das könnte ein Motto fĂŒr den Macher der Geschichtswerkstatt sein, denn die Autoren sind nicht allein ausgewiesene Historiker, sondern auch Menschen, die Wichtiges zu erzĂ€hlen haben, ohne dafĂŒr akademisch ausgebildet zu sein.

„Steinmetze und Handwerker haben Bauwerke errichtet, nicht die FĂŒrsten!“

„Mir liegt an der Perspektive des normalen Menschen. Nicht der FĂŒrst hat das Schloss oder die Mauer gebaut, sondern sie wurde von Steinmetzen und anderen Handwerkern errichtet. Mich interessieren Texte von Menschen aus dem tĂ€glichen Leben, aus deren eigener Erlebniswelt“, erklĂ€rt Joachim Cott.

Damit ist die Geschichtswerkstatt BĂŒdingen schon ziemlich erfolgreich, ĂŒber 80 BĂŒcher wurden in den vergangenen 15 Jahren herausgegeben, alle in einer Auflage, die sich fĂŒr die großen Verlage nicht lohnt.

Wenn aber allein wirtschaftliche Überlegungen das Handeln bestimmen, dann erscheinen manche Geschichten nicht mehr, und darum wĂ€re es sehr schade. Etwa um ‚Das Bohnenweibchen‘, das Buch, mit dem alles angefangen hat.

Sagen aus BĂŒdingen und dem BĂŒdinger Land gab es schon in verschiedenen Veröffentlichungen, aber nicht in einem eigenen Buch gesammelt. Zuerst wurden die Geschichten nur kopiert und, mit Drahtbindung versehen, verteilt.

Die Nachfrage war aber immens und damit eine GeschĂ€ftsidee geboren. Viele BĂŒdingerinnen und BĂŒdinger hatten Interesse an Stadt- und Regionalgeschichte und so wurden aus den Veröffentlichungen der Geschichtswerkstatt echte SelbstlĂ€ufer, zum Beispiel die beiden BĂ€nde zur ‚Auswanderung aus dem BĂŒdinger Land‘, die der unlĂ€ngst verstorbene Dr. Klaus-Peter Decker verfasst hat.

„Wichtiger Mentor der Geschichtswerkstatt in den AnfĂ€ngen war Walter Nies, der ein großes Wissen ĂŒber BĂŒdingen und die BĂŒdinger Familien hatte“, erinnert sich Joachim Cott. „Er hatte uns nicht nur Fakten, sondern auch die ZusammenhĂ€nge erlĂ€utert.“

Zu den Klassikern aus der Geschichtswerkstatt BĂŒdingen zĂ€hlen auch ‚BĂŒdingen - Ein Versuch zur Geschichte der Stadt‘ von Dr. Volkmar Stein oder das reich bebilderte Buch ĂŒber ‚Die Geschichte der BĂŒdinger Kaserne‘, das viele BĂŒdingerinnen und BĂŒdinger gekauft haben, weil es ihre Erinnerungen an diese Zeit wachgerufen hat.

„Kindheit in BĂŒdingen oder Geschichten aus der Landwirtschaft, aus der Zeit des Nationalsozialismus, aus dem Krieg und der Nachkriegszeit - mit diesen BĂŒchern wecken wir die Erinnerungen der Leserinnen und Leser, neue Texte entstehen und damit Material fĂŒr weitere BĂŒcher“, berichtet Joachim Cott.

Manche Publikationen entstanden auch im Zusammenhang mit Ausstellungen im BĂŒdinger Heuson-Museum, so zum Beispiel der Ausstellung zu den 70er Jahren in BĂŒdingen, die viel beachtet wurde und zu der es ebenfalls ein Buch gibt.

Landrat Jan Weckler lobte die Arbeit von Joachim Cott: „Die Geschichtswerkstatt BĂŒdingen ist nicht nur ein Teil des BĂŒdinger GedĂ€chtnisses, sondern trĂ€gt auch zur IdentitĂ€t der BĂŒdingerinnen und BĂŒdinger bei. Joachim Cott sorgt dafĂŒr, dass das AlltĂ€gliche der Vergangenheit auch in der Gegenwart sichtbar bleibt.“