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Auf den Grund gehen

Die beiden Geophysiker Dr. Alexander Hemmann (rechts) und Jonas Müller untersuchen mit Georadar den Boden um die evangelische Kirche in Lützel-Wiebelsbach. Foto: Bernhard Bergmann

Fundamentale Untersuchungen für Anbau an Kirche in Lützel-Wiebelsbach

LÃœTZEL-WIEBELSBACH. - Geschichte kann man sich als Fundament vorstellen, auf dem Nachfolgendes aufbaut. Sie liegt Gegenwart und Zukunft zugrunde.

Ganz gut sichtbar – oder eben (noch) nicht – wird das am Beispiel der evangelischen Kirche in Lützel-Wiebelsbach. Wobei an der Sichtbarmachung nun gearbeitet wird.

In der Tiefe unter dem erhaben auf dem Berg gelegenen Gotteshaus, zugleich Friedhofsareal, befinden sich die Reste einer mittelalterlichen Burg.

Es handelt sich höchstwahrscheinlich sogar um Teile des Vorgängerbaus der imposanten Burg Breuberg, die um das Jahr 1200 zehn Kilometer nordwestlich von hier errichtet worden ist.

Pfarrer Carsten Stein verwies dieser Tage bei einem Ortstermin an der Kirche auf die Lützelbacher Chronik, in der dies erklärt wird. Tatsächlich stoßen die Bagger der Gemeinde beim Ausheben von Gräbern immer wieder auf Steine, die ganz offensichtlich an dieser Stelle kein gewöhnlicher Bestandteil des Bodens sind, sondern zu einem Gemäuer gehören.

Im Grunde waren diese nun auch in einer weiteren Hinsicht Steine des Anstoßes: für archäologische Untersuchungen im Vorfeld geplanter Baumaßnahmen.

Die Lützel-Wiebelsbacher wollen, wie berichtet, einen Anbau an ihre Kirche errichten. „Die Gemeinde hat hierbei ihre Verantwortung gesehen“, betont der mit den Planungen beauftragte Architekt Arno Klinkenberg.

Denn durch die Bauarbeiten soll kein geschichtliches Fundament zerstört werden; vielmehr wollen die Bau-Auftraggeber wissen, was tatsächlich im Boden lagert, und vorhandene Denkmäler wo möglich konservieren oder vielleicht sogar integrieren beziehungsweise sichtbar machen.

Eine Karlsruher Fachfirma für Geophysik hat darum nun eine Georadar-Untersuchung eines 800 Quadratmeter umfassenden Areals um die Kirche vorgenommen.

Der Boden unter dem Gotteshaus selbst gehört ebenfalls mit zum ergründeten Bereich, zumal es bereits einen Vorgängerbau des heutigen, 1770-1774 errichteten Sakralgebäudes gab.

Die Auswertung, die in einigen Wochen vorliegen wird, lässt dann genauere Schlüsse zu: auf die Burganlage und die erhaltenen Überreste derselben, aber natürlich auch darauf, was das für die Bodenarbeiten bedeutet.

Das gilt übrigens nicht nur für die Anbaupläne, sondern sollte auch für die weitere Belegung des Friedhofes berücksichtigt werden, zumal auf dessen oberem Teil noch reichlich Platz für neue Gräber vorhanden ist.

„Man kann das ärgerlich finden, uns geht es aber anders“, sagt Carsten Stein. „Ich finde es toll, die Planung in Einklang zu bringen mit dem, was da ist“, so der Pfarrer; Altes sei da, Neues entstehe.

„Ich bin guter Dinge, dass das auch funktioniert“, meint dazu Bezirksarchäologe Thomas Becker vom hessischen Landesamt für Denkmalpflege und freut sich über das Zusammenwirken verschiedener Interessengruppen mit einem gemeinsamen Ziel an diesem Punkt. Auch Bürgermeister Uwe Olt war bei dem Termin vor Ort, um sich zu informieren.

„Wenn wir an solch besonderen Stellen in den Boden gehen, setzen wir uns standardmäßig mit den Archäologen in Verbindung“, erläutert Kirchenarchitektin Nicole Wenzl von der Bauabteilung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Respekt vor Überkommenem spielt naturgemäß für die Kirche eine bedeutende Rolle.

Und wenn man an Luthers berühmtes Kirchenlied „Ein feste Burg“, an Wehrkirchen und Kirchenburgen sowie an manche biblischen Bilder denkt, dann handelt es sich hier auf dem Berg bei Lützelbach im wahrsten Sinn um ein überaus bedeutungsvolles Umfeld.