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Projektidee erweckt 40 Jahre altes Gerät zu neuem Leben

Enri Reimer, Auszubildender zum Industriemechaniker bei RKW (Rheinische Kunststoffwerke), erklärt, wie die Bohrmaschine „I 4.0-fähig“ umgerüstet wird.

Die Gruppenteilnehmer können, gemeinsam mit ihren Lehrkräften Marcus May (links) und Silke Klar (Mitte) sowie Simon Kübler von Bosch Rexroth (rechts), stolz auf ihr Arbeitsergebnis sein. Fotos: BSO

Lernortkooperation von Bosch Rexroth, Unternehmerverband Südhessen e. V. und Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis führt junge Auszubildende innovativ in die digitale Welt

ODENWALDKREIS / MICHELSTADT. - Was hat eine Interkrenn-Ständerbohrmaschine der mit Industrie 4.0 zu tun? Noch bis vor wenigen Tagen fristete das gute Stück ein unbedeutendes Dasein im Nebenraum einer Werkstatt am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis (BSO) in Michelstadt.

Zu neuem Leben erwacht ist das über 40 Jahre alte Gerät durch eine Projektidee, die für die enge Kooperation zwischen der Bildungseinrichtung mit der Firma Bosch Rexroth im benachbarten Erbach steht.

Die Aufgabenstellung war ebenso klar wie spannend: Die konventionelle Bohrmaschine „I 4.0-fähig“ umrüsten, diese also durch entsprechende Sensorik so zu ergänzen, dass mittels der Sensordaten die Maschine automatisch eingerichtet werden kann.

„Zusätzlich kann die Maschine darüber vorbeugend instandgehalten und damit die Wartung optimiert werden“, sagt Simon Kübler, der bei Bosch als Gruppenleiter für I 4.0 verantwortlich ist.

Zwei Tage hatten die zwölf Teilnehmer dafür Zeit erhalten, um in der Verbindung von Automation, moderner IT und Cloud-Diensten die Projektidee umzusetzen.

Ein überzeugendes Ergebnis bot auch die Präsentation des Workshops am Dienstag, 18. Juni, zu der in den Nachmittagsstunden Vertreter des Unternehmens, der unterstützenden Industrievereinigung Odenwaldkreis (IVO) und Führungs- und Lehrkräfte des Schulzentrums sowie etliche Vertreter der Medien eingeladen und gekommen waren.

„Die Projektidee lässt sich auf beliebige Systeme im Maschinenbau anwenden und im Berufsschulunterricht integrieren“, zollte Abteilungsleiter Rüdiger Lang seinen Kollegen und den mitwirkenden Schülern seinen Respekt.

Nach der didaktischen und methodischen Aufbereitung des Projektes, standen die Lehrkräfte Marcus May und Silke Klar den Teilnehmern des Workshops zur Verfügung, angehende Industriemechaniker, Zerspanmechaniker, Mechatroniker und Elektroniker aus unterschiedlichen Ausbildungsjahren.

Neben Bosch Rexroth stellten als weitere Odenwälder Unternehmen ETP-Walther, WIPA Systemtechnik, Zimmer & Kreim, Pirelli Deutschland, BBK Etikettier- und Sondermaschinenbau, RKW, Erbatech und Messer Cutting ihre Auszubildenden für den Auftrag ab.

Methodisch gingen die jungen Leute nach dem Prinzip Hackathon vor; einer Lern- und Arbeitstechnik, die als „Hotspot der Ideen“ bezeichnet werden darf und den Teilnehmern große Spielräume einräumt, sich zu organisieren und arbeitsteilig auf die Lösung hinzuarbeiten.

Unter Einsatz der Tools Bosch Rexroth IoT Gateway/IoT Insights nahm die erste Gruppe ein Live-Abbild der Maschine vor.

Bei der Zustandserkennung der Bohrmaschine wurden Vibration, Lichtschranke, etc. untersucht, um entscheiden zu können, wie produktiv die Anlage ist und welche Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten sind.

Um sicher zu stellen, dass immer die richtigen Drehzahlen zum richtigen Material und Werkzeug eingestellt werden, machte sich die zweite Gruppe ans Werk, um unter Verwendung von Open Source-Software Ansteuerung und Werkzeugauswahl zu überprüfen.

Was seither aus Tabellenbüchern mühsam zusammengetragen werden musste, „war hier mit zwei Scans erledigt“, stellte ein Teilnehmer vor. Bohrer wurden eingescannt, QR-Codes generiert, Programme berechneten Schnittgeschwindigkeit und Drehzahlen.

Claus Lau (Unternehmerverband Südhessen e. V., Bosch Rexroth) war von der Lösung und der Präsentation überzeugt: „An solchen Tagen transportieren kreative Köpfe wie Sie Silicon Valley in den Odenwald.“ Rudolf Burjanko, Vorstandsmitglied der IVO, sieht in der Herangehensweise große Chancen für Unternehmen in der Region.

Die Bohrmaschine stehe stellvertretend für einen Großteil an konventionellen Maschinen und Anlagen. Firmen können über solche Wege grundsätzlich erforschen, ob eine „I 4.0-fähige Aufrüstung“ günstiger kommt als die Investition in eine neue Maschine.

BSO-Schulleiter Wilfried Schulz lobte, dass über Hackathon moderne didaktische Anforderungen in die Lösungsfindung eingeflossen sind, was in der größtmöglichen Selbstständigkeit der Schüler abzulesen war.

Lehrkräfte haben sich auf eine begleitende Rolle zurückgezogen, nur bei Bedarf zugearbeitet und damit, zusätzlich zum Arbeitsergebnis, den jungen Menschen zusätzliche Erfolgserlebnisse ermöglicht.

„Es ist einfach toll als Schulleiter zu sehen, wie die Lehrkräfte unserer Schule in einer so hervorragenden Kooperation mit unserem Unternehmenspartner Bosch Rexroth in der Region mit den jungen Leuten zügig und innovativ in die Zukunft der digitalen Welt eintauchen“.

Mit von der Partie war David Nassos, der im zweiten Ausbildungsjahr zum Elektroanlagenmonteur besonders von der gruppendynamischen Arbeitsweise überzeugt war.

„Es fühlt sich prima an, was wir geleistet haben“, sagte er und bestätigte, dass die Lehrkräfte die Gruppe in ihrer Eigenständigkeit unterstützt und nur bei Bedarf mitgewirkt haben.

Die meisten Schüler kannten sich nicht zuvor und zeichneten sich durch ihre Bereitschaft aus, sich auf ein Experiment einzulassen, bestätigte als Lehrkraft Studienrat Marcus May: „Das Projekt ist ein voller Erfolg, da wir die fachlichen sowie überfachlichen Kompetenzen der Lernenden gleichermaßen optimal fördern konnten.“

Jonas Grau, Auszubildender im zweiten Jahr zum Mechatroniker, gefiel es besonders gut, von Schülern aus anderen Berufen vieles dabei hinzulernt zu haben. „In unserer Gruppe hatte noch niemand zuvor mit Open Source programmiert.“