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Christian Kehrer: In 100 Tagen sehr viel Arbeit, bisher wenig Ertrag

Seit 100 Tagen im Amt, mit viel Arbeit konfrontiert, bisher nicht die gewünschten Erfolge erzielt: Christian Kehrer, Bürgermeister der neuen Stadt Oberzent.

Der Bürgermeister der zu Jahresbeginn fusionierten Stadt Oberzent zieht nach 100 Tagen Amtszeit eine erste, recht ernüchternde Bilanz

OBERZENT. - Christian Kehrer räumt unumwunden ein, dass ihn die umfangreiche Arbeit während der ersten 100 Tage seiner Amtszeit doch überrascht hat. „Die Arbeit für die neue Stadt macht mir dennoch nach wie vor Freude und ich erledige sie auch gerne, selbst wenn der Umfang gelegentlich an die Grenzen der Belastbarkeit stößt“, sagt der Bürgermeister der zu Jahresbeginn fusionierten Stadt Oberzent.

Im Gespräch mit der FACT-Redaktion bilanziert der Rathauschef die in der Politik üblichen 100 Tage seiner Tätigkeit an der Spitze der Verwaltung dieser neuen Kommune. Die Intensität der Aufgaben hätte ihn zugegebenermaßen doch etwas überrascht, sagt Christian Kehrer. Besonders die Altlasten müssten zeitintensiv abgearbeitet werden und ließen wenig Spielraum für kreatives Schaffen.

Obwohl er den Fusionsprozess der vier zum 1. Januar dieses Jahres vereinten Kommunen Beerfelden, Hesseneck, Rothenberg und Sensbachtal an entscheidender Stelle maßgeblich mitgestaltet hat, zeigt er sich erstaunt über den umfangreichen Maßnahmenkatalog, den ihm die dreizehn Ortsbeiräte aus den insgesamt 19 Stadtteilen jetzt präsentierten.

150 Maßnahmen aus 13 Ortsbeiräten auf der To-do-Liste

150 Aufgaben haben ihm die Verantwortlichen aus den Ortsbeiräten auf den Tisch gelegt, eine Aufgabe, die Christian Kehrer abarbeiten muss, ohne dabei allerdings den Mut zu verlieren: „Wir sind dennoch auf einem guten Weg“, konstatiert er.

Dass sich dieser Weg allerdings doch als recht beschwerlich offenbart, ist an deutlichen Fakten abgebildet. So wird erst in diesen Tagen der Haushaltsplan für das laufende Jahr im Parlament eingebracht, und somit nach den Beratungen voraussichtlich erst Mitte November beschlossen werden können.

Ergebnishaushalt mit 23 Millionen recht üppig

Das Zahlenwerk selbst ist im Ansatz mit gut 23 Millionen im Ergebnishaushalt und daraus resultierenden gut 100.000 Euro Überschuss für die Gesamtkommune recht üppig und für die kommenden drei Jahre in den Ansatzprognosen steigend.

Die Einsparung der durch die Fusion entfallenen drei Bürgermeistergehälter in Höhe von jährlich 350.000 Euro ist bei diesen Haushaltsvolumen ebenso wenig sichtbar wie eventuelle weitere ursprünglich erwartete fusionsbedingte Einsparungen. „Wir haben diese Einsparungen eben gleich wieder investiert“, kommentiert Kehrer dieses Faktum.

Der aktuelle Ansatz des Finanzhaushalts in Höhe von mehr als 5 Millionen Euro weist gar einen Fehlbedarf von 382.000 Euro aus. Aufgrund des bis dato noch fehlenden Haushaltsplans dürfen gemäß der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) ausschließlich Pflichtaufgaben erfüllt werden, investive Maßnahmen können erst auf der Basis eines rechtsgültigen Haushaltsplans erfolgen.

Erblast: Knapp 6 Millionen aus Haushaltsvorträgen abarbeiten

Gleichwohl werden im laufenden Jahr Maßnahmen durchgeführt, „die wir aus Haushaltsvorträgen der vorher selbständigen Kommunen in Höhe von 5,95 Millionen >geerbt< haben“, sagt Kehrer.

4,5 Millionen Euro hat die Hessische Landesregierung zu Jahresbeginn quasi als Fusionsbonus der Stadtverwaltung Oberzent zur Entschuldung überwiesen. Diese wurden entsprechend, auch unter der nicht unerheblichen Last von 150.000 Euro Vorfälligkeitsentschädigungen, verwendet, wie der Bürgermeister berichtet.

Weitere rund 2,9 Millionen Euro fließen im kommenden Jahr aus der Hessenkasse. Diese Summe muss dem Land allerdings zur Hälfte in jährlichen Raten zurückerstattet werden, das Land hilft so bei der Tilgung und übernimmt Zinslasten und Zinsänderungsrisiken.

Standortfrage für Gesundheitsversorgungszentrum noch immer ungeklärt

Nach wie vor auf Eis liegt das Großprojekt Gesundheitsversorgungszentrum mit einem zentralen Ärztehaus. Dies hatte Christian Kehrer, wie übrigens alle seiner sechs Mitbewerber um das Bürgermeisteramt auch, an die oberste Stelle seiner Prioritätenliste gesetzt.

„Hier ist die Standortfrage noch ungeklärt, die haben wir zurückgestellt“, sagt der Bürgermeister. Derzeit gebe es zehn Standorte, die zu prüfen seien. Seit wenigen Tagen liege ein Standortkonzept der beratenden Firma ASD-Concepts (Reinheim) vor, jetzt solle ein Stadtentwicklungsplaner beratend gehört werden ob eine Innerortslösung oder ein Neubau auf der grünen Wiese in Betracht komme.

„Ich selbst bin mit drei Investoren im Gespräch und hoffe, dass wir in diesem Jahr noch zu einer Entscheidung kommen“, lässt Kehrer zumindest der Hoffnung auf eine halbwegs zeitnahe Lösung noch Raum.

Auch Großprojekt Bikepark zurückgestellt

Zurückgestellt ist vorläufig auch das zweite Großprojekt Bikepark. Hier ist der Bürgermeister skeptisch, dass das Projekt in seinem ursprünglich geplanten Umfang umsetzbar sei. Durchgeführte Scoping-Maßnahmen hätten einen Finanzbedarf von mehr als 3 Millionen für die angedachte Lösung ergeben.

Über den bereits aufgestellten Bebauungsplan hinaus, sei bisher noch nichts geschehen. „Dieses Projekt muss sich vor allem an der Finanzierbarkeit orientieren, und hängt wesentlich auch von der letztendlichen Lösung unseres Ärztehauses ab“, sagt Kehrer.

Er sehe beim Bikepark derzeit nur die Möglichkeit eines „vernünftigen Mittelwegs“ der mit etwa der Hälfte des ermittelten Finanzbedarfs zu stemmen sei. „Entscheiden müssen das letztlich aber die Stadtverordneten“, spielt der Bürgermeister hier den Ball zum Parlament.

Bürgerhaus wird saniert - Schwierigkeiten beim neuen Baugebiet

Etwas positiver sieht es diesbezüglich bei der Sanierung des seit mehr als einem Jahr geschlossenen Bürgerhauses in Beerfelden aus. Hier haben die Bauarbeiten Mitte September begonnen, sie sollen in etwa einem halben Jahr abgeschlossen sein, sodass die Einrichtung im Frühjahr nächsten Jahres wieder genutzt werden könnte.

Schwierigkeiten ergaben sich auch beim neuen Baugebiet im Stadtteil Rothenberg. Die noch vor der Fusion von den Rothenberger Gremien beschlossene Pflasterung der Erschließungsstraßen des mehr als 40 Bauplätze umfassenden Gebiets sieht Christian Kehrer nicht als Ideallösung, gleichwohl habe er sich an geltende Beschlüsse zu halten.

Bei der Bauabnahme sei die Pflasterung in Teilen beanstandet worden, und müsse durch den bauausführenden Unternehmer nachgebessert werden, was unmittelbar vor dem Abschluss stehe.

Teillösung für desolaten Internetauftritt in Sicht

Wenig ruhmreich ist auch der bisherige Internetauftritt der Stadt Oberzent. Zehn Monate nach der Fusion ist hier immer noch eine in nahezu allen Bereichen defizitäre Baustelle zu finden, die keinerlei Information bietet.

„Herzlich Willkomen auf der vorläufigen Internetseite der Stadt Oberzent. Aktuell ist die Überarbeitung der neuen Homepage der Stadt Oberzent noch nicht vollständig abgeschlossen“, leuchtet dem Besucher da zehn Monate nach der Fusion noch wenig glanzvoll und ebensowenig einladend entgegen.

Bei dieser Dauerbaustelle sieht der Verwaltungschef die personell mit zwei Stellen unterbesetzte Verwaltung ursächlich für den erheblichen Verzug. „Wir haben bereits einige Bereiche im Hintergrund fertig gestellt, sobald wir 70 Prozent erreicht haben, werden wir diesen Teilbereich freischalten“, stellt Christian Kehrer zumindest eine Teillösung in naher Zukunft in Aussicht.

Pferdemarkt erfolgreich - Holzvermarktung verheißungsvoll

Positive Highlights im Verlauf seiner ersten 100 Tage im Amt nennt der Bürgermeister mit dem „sehr erfolgreichen Pferdemarkt“, sowie der bevorstehenden Lösung zur Holzvermarktung.

„Wir sind mit 2.400 ha einer der größten kommunalen Waldbesitzer in Hessen. Bezüglich der Holzvermarktung sind wir derzeit mit der Forstgemeinschaft der Landkreise Bergstraße und Odenwald, sowie der Forstgemeinschaft Buchen – Bauland in verheißungsvollen Gesprächen.“

„Zwei Mitarbeiter haben uns verlassen, darunter der langjährige Kassenverwalter der Stadt Beerfelden, der nach 51-jähriger Tätigkeit im öffentlichen Dienst in den wohlverdienten Ruhestand wechselte, sowie ein Mitarbeiter aus dem Ordnungsamt.“

Während die Stelle des Kassenverwalters nicht neu besetzt werden soll, „dessen Aufgaben wurden dem Bürgerbüro übertragen“, ist die vakante Stelle im Ordnungsamt bereits ausgeschrieben.

Stabsstelle zum 1. Dezember 2018 besetzt

Schon besetzt ist die Stabsstelle, die der Bürgermeister bis zu seinem Amtsantritt selbst inne hatte. Hier wird ab dem 1. Dezember die Büroleitung von Steffi Ampferl aus dem Stadtteil Falken-Gesäß übernommen. Für diese Position lagen 15 Bewerbungen vor.

Ebenfalls eingestellt ist ein Stadtpolizist. „Dieser tritt mit Beginn des neuen Jahres seinen Dienst in der Stadt Oberzent an, um für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu sorgen“, sagt Christian Kehrer. Ausgestattet wird der erfahrene Stadtpolizist, der von einer südhessischen Kommune in die Stadt Oberzent wechselt, mit einem Fahrzeug mit Sondersignal, ferner soll noch ein Radarmessgerät angeschafft werden.

Stadtbrandinspektor mit vorläufiger Sondergenehmigung

Ebenfalls neu in der Stadtverwaltung Oberzent ist Marco Johe, der schon vor einigen Monaten seinen Dienst antrat, und inzwischen von den Freiwilligen Feuerwehren in der Stadt zum Stadtbrandinspektor gewählt wurde.

Diese Position kann er mit Sondergenehmigung des Kreisbrandinspektors bereits begleiten, obwohl er zur endgültigen Befähigung noch einen Lehrgang bei der Landesfeuerwehrschule in Kassel absolvieren muss.

Personelle Neubesetzung steht aufgrund von altersbedingtem Ausscheiden auch im Bauhof der Stadt Oberzent an. Diese Stelle ist derzeit ebenfalls ausgeschrieben. „Bei zwei weiteren Stellen sind wir noch unterbesetzt“, sieht der Bürgermeister weiteren Handlungsbedarf im Personalbereich.