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Gefahr im Verzug fĂŒr streng geschĂŒtzte Vogelart: „RP Darmstadt untĂ€tig“

Der Beweis, der das RP Darmstadt nicht interessiert: Die akute GefĂ€hrdung des Schwarzstorches, der vor den Rotoren der WindrĂ€der am StillfĂŒssel am 22. April 2018 fotografiert werden konnte.

„Der Schwarzstorch ist hier einem erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt. Es besteht Gefahr im Verzug, die durch die UntĂ€tigkeit des RP Darmstadt als zustĂ€ndige Aufsichtsbehörde billigend in Kauf genommen wird“, kritisieren die BĂŒrgerinitiativen. Fotos: Stephan Hördt

BĂŒrgerinitiativen Siedelsbrunn und Ulfenbachtal fordern sofortigen Betriebsstopp fĂŒr die fĂŒnf WindrĂ€der auf dem StillfĂŒssel und Ă€ußern sich zu den laufenden juristischen Verfahren

WALD-MICHELBACH. - Mit ErnĂŒchterung wurde seitens der BĂŒrgerinitiativen Siedelsbrunn und Ulfenbachtal die Entscheidung der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 29. MĂ€rz diesen Jahres aufgenommen.

Das Gericht hatte zu diesem Zeitpunkt den Eilantrag eines Umweltverbands abgelehnt, der den Bau und Betrieb der fĂŒnf WindrĂ€der auf dem StillfĂŒssel bei Wald-Michelbach stoppen sollte.

Das Gericht sah keine VersĂ€umnisse des RegierungsprĂ€sidiums Darmstadt (RP DA) in der VorprĂŒfung der UmweltvertrĂ€glichkeit und keine Verletzung artenschutzrechtlicher Vorschriften hinsichtlich streng geschĂŒtzter Vogelarten.

Vor allem beim Schwarzstorch und Rotmilan hatte die Kammer „kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“ erkannt. Aktuelle Fotodokumentationen beweisen jedoch nach Ansicht der BĂŒrgerinitiativen gerade das Gegenteil.

Es liegt umfangreiches Foto- und Filmmaterial von Schwarzstorch-Sichtungen in unmittelbarer NĂ€he zu den Rotoren der WindrĂ€der auf dem StillfĂŒssel vor. Deutlich ist darauf der Schriftzug des Betreibers Entega zu erkennen.

Mit UnterstĂŒtzung eines bundesweit anerkannten Umweltverbands wurden alle im April 2018 dokumentierten 14 Beobachtungen des Schwarzstorches in unmittelbarer Umgebung zu den fĂŒnf WindrĂ€dern auf dem StillfĂŒssel ausgewertet.

Besonders drastisch: in zwei FÀllen betrug der Abstand zwischen Schwarzstorch und den Rotoren weniger als 70 Meter. Die akute GefÀhrdung wurde der oberen Behördenleitung des RP DA, RegieerungsprÀsidentin Brigitte Lindscheid, am 27. April 2018 angezeigt.

Der Umweltverband stellte zeitgleich den Antrag auf Betriebsstopp der Anlagen fĂŒr die Brut- und Aufzuchtzeit und die Einleitung von Maßnahmen fĂŒr eine erneute Untersuchung und Bewertung des Windpark-Standortes.

Das RP DA hat den Antrag mit Schreiben vom 14. Mai 2018 zurĂŒckgewiesen und sieht in den vorgelegten Beobachtungsdaten keine Grundlage fĂŒr ein behördliches Handeln.

BI-Sprecherin Vera Krug: „Die Fotoaufnahmen belegen eindeutig ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko und die Gefahr einer erheblichen Störung der Lokalpopulation des Schwarzstorches durch die WindrĂ€der am StillfĂŒssel.

Nach §44 BNatSchG Abs. 1 sind dies VerbotstatbestĂ€nde. Verantwortlich sind der Windparkbetreiber Entega, deren Gutachter und die verantwortlichen Personen im RegierungsprĂ€sidium Darmstadt. Hier ist eindeutig Gefahr im Verzug“.

Das RP DA verkenne zum wiederholten Male die hohe Dringlichkeit fĂŒr die Ergreifung wirkungsvoller Maßnahmen zum Schutz des Schwarzstorches. Dabei sei die Sachlage nicht neu.

Bereits vor Genehmigung der fĂŒnf WindrĂ€der am letzten Arbeitstag des Jahres 2016 seien dem RP DA rund 60 Beobachtungen des Schwarzstorches mit weit ĂŒber 100 Fotobeweisen vorgelegt worden. Im Jahr 2017 gelangen in fast identischer Anzahl weitere Foto-dokumentierte Sichtungen des Schwarzstorches.

Der Hinweis des Gerichts, es habe außerdem nicht nachgewiesen werden können, dass es in der NĂ€he der Baustelle tatsĂ€chlich einen Schwarzstorchhorst gab, löst bei der BI Verwunderung aus.

Schließlich habe die Staatliche Vogelschutzwarte in Frankfurt den im September 2016 entdeckten Horst eindeutig als Schwarzstorchhorst innerhalb des 3-km-Tabubereichs bewertet. Gleichbedeutend mit dem Aus fĂŒr alle, ursprĂŒnglich sechs beantragten WindrĂ€der auf dem StillfĂŒssel.

Was folgte, und in den Verwaltungsakten des RP DA auch akribisch festgehalten wurde, ist die Erarbeitung eines gemeinsamen Lösungsvorschlags zwischen Oberer Naturschutzbehörde und dem Betreiber Entega.

Im Zuge dessen wurde der Antrag fĂŒr ein Windrad von Entega zurĂŒckgenommen, die Tabuzone um die BrutstĂ€tte von 3-km auf 1-km reduziert und dem Betreiber ein Schwarzstorch-Monitoring auferlegt, welches ausgerechnet wĂ€hrend der Bau- und Rodungsphase in 2017 durchzufĂŒhren war.

Nur so konnte am letzten Arbeitstag des Jahres 2016 die Genehmigung erfolgen. „Offensichtlich war die Erteilung der Genehmigung bis zum 31.12.2016 von großer Bedeutung fĂŒr den Energiekonzern Entega. Ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlagen wĂ€re fĂŒr Entega nicht möglich gewesen, wenn die Genehmigung erst im Jahr 2017 erfolgt wĂ€re“, sind sich die Mitstreiter der BI sicher.

Hintergrund sei das Inkrafttreten des EEG 2017, das deutlich geringere Subventionen enthalte, als auf Basis des EEG 2014.

FĂŒr die BĂŒrgerinitiativen sei es unverstĂ€ndlich, warum die vielen Sichtungen des Schwarzstorches und weiterer relevanter Vogelarten bisher keine Beachtung durch das Gericht erfahren.

Es bestehe eine augenfÀllige Diskrepanz zwischen den signifikant hÀufigeren Augenzeugen-Sichtungen und Fotodokumentationen von relevanten Brutvögeln und BrutstÀtten und den andererseits sehr geringen Dokumentationen durch Gutachter im Auftrage der Entega.

Vera Krug: „Nur weil der von Entega beauftragte Gutachter keine relevanten Flugbewegungen feststellen konnte, darf daraus nicht die Annahme vom Gericht abgeleitet werden, dass es keine Brutvorkommen gibt.

Es besteht vielmehr die Verpflichtung von Behörden und Gerichten, Beobachtungen und Dokumentationen, auch von ornithologischen Laien, zu berĂŒcksichtigen“.

Der eigentliche Skandal bestehe nach Ansicht der BI darin, dass die Beweislast des Gerichts auf die BĂŒrger umgelegt werde. Diese sollten nun fehlende BrutstĂ€tten nachweisen, weil darĂŒber in den eingereichten Gutachten von Entega nichts zu finden sei.

Auf eine vertiefende Auseinandersetzung und zweifelsfreie KlĂ€rung der Frage, ob der Schwarzstorch ein Hindernis fĂŒr die Genehmigung darstelle, sei seitens des RP DA offenbar komplett verzichtet worden.

„Wir sind davon ĂŒberzeugt, dass die politische Einflussnahme und der gewaltige Zeitdruck dazu gefĂŒhrt haben, dass das RP DA eklatante Ermittlungsdefizite und damit eine fehlerhafte UmweltvertrĂ€glichkeits-VorprĂŒfung bewusst in Kauf genommen hat, damit die Genehmigung noch in 2016 erfolgen konnte“, so Krug weiter.

Gegen das Urteil des VG Darmstadt wurde Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingereicht. Die Klagen werden bis in die höchste richterliche Instanz fortgesetzt. Ziel sei es, die Barrierefreiheit auf dem StillfĂŒssel wieder herzustellen und die Natur im Odenwald durch Abwehr weiterer Windindustrieanlagen zu erhalten.

INFO: Die BĂŒrgerinitiativen Gegenwind Siedelsbrunn und Ulfenbachtal haben sich im MĂ€rz 2016 zusammengeschlossen. Zudem besteht eine sehr enge Zusammenarbeit mit der BI Kahlberg und Greiner-Eck.

Die Anzahl Mitstreiter wird auf rund 1.000 beziffert. Diese wĂ€chst infolge der zunehmenden LĂ€rmbelĂ€stigung und optischen BedrĂ€ngung der Bevölkerung durch Windindustrieanlagen im Überwald stetig an.

Jeden Donnerstag ab 18 Uhr wird in Wald-Michelbach fĂŒr den Erhalt der Natur im Odenwald demonstriert.

FĂŒr Gutachten, juristischen Rat sowie Öffentlichkeitsarbeit wurden bereits mehr als 120.000 Euro aufgewendet. Spenden fĂŒr juristische Verfahren werden dringend benötigt, um die Ziele erreichen zu können.

Spendenhinweise und weitere Informationen unter: www.bi-gegenwind-siedelsbrunn.de und www.gegenwind-ulfenbachtal.de