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Ludwig Bogen steht fĂŒr die Demokratiebewegung von 1848

Erich Becker und Sabine Schuhmann vom stĂ€dtischen Kulturamt besprechen den Ablauf des Vortrags ĂŒber Ludwig Bogen. Foto: Kulturamt Stadt Michelstadt

Erich Becker setzt MichelstĂ€dter Vortragsreihe „Unser Odenwald: Vom Bekannten zum Unbekannten“ fort

MICHELSTADT. - Das Kulturamt der Stadt Michelstadt hat das Revolutionsjahr 1848 aufgegriffen und in der Person von Ludwig Bogen (1809 – 1886) einen wĂŒrdigen Vertreter der deutschen Demokratiebewegung auf lokaler Ebene ausfĂŒndig gemacht.

Welche Rolle der RevolutionĂ€r und bekennende Demokrat in Michelstadt und darĂŒber hinaus gespielt hat, ist Thema des Vortrags von Erich Becker, der am Freitag, 27. April, im historischen Rathaus auf dem Programm gestanden hat. Die Betrachtung fand im Rahmen der Bildungsreihe „Unser Odenwald: Vom Bekannten zum Unbekannten“ statt.

Becker ist Studienrat fĂŒr Kunst und Geschichte sowie Regisseur fĂŒr Theaterprojekte im Auftrag der Stadt Michelstadt. Mit seinem Vortrag warf er den Schatten voraus auf eine Theaterinszenierung, die vom 6. bis 16. September die Ereignisse der Revolution, wie sie sich in Michelstadt und in der Umgebung abgespielt haben, wiedergeben.

Im Vortrag selbst ging Becker auf das Leben und Wirken von Ludwig Bogen ein. Johann Carl Ludwig Bogen (1809 – 1886) war der Sohn der Eheleute Georg Heinrich, geboren in Homburg, und der in Michelstadt unter dem Namen Rexroth geborenen Marie Catharina.

Der Vater war Advokat und von 1814 bis 1823 Schultheiß in Michelstadt. Ludwig Bogen studierte von 1827 bis 1833 Rechtswissenschaften in Gießen und Bonn. Bereits in Gießen schloss er sich einem Kreis revolutionĂ€r gesinnter BĂŒrger und Studenten an und wurde 1838 wegen Hochverrats zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, von denen er ein Jahr absitzen musste.

Becker: „Bogen gehörte zu den gewĂ€hlten MĂ€nnern, die 1848/49 in der Paulskirche in Frankfurt ein geeintes Deutschland nach demokratischen Prinzipien aufbauen wollten.“ Auf Spurensuche begab Becker sich nicht nur in Archiven vor Ort.

In New Ulm musste er feststellen, dass auf dem Grabstein des streitbaren Mannes das Geburtsjahr verkehrt angegeben wurde. Weit weg von der Heimat von grĂ¶ĂŸerer Bedeutung war, dass die „New Ulm Post“ am 9. April 1886 Bogen einen Nachruf gewidmet hat, denn dabei handelte es sich um keinen anderen als den Herausgeber dieser deutschsprachigen Zeitung.

Die Auswanderung nach Amerika 1853 kam einer Zensur mit seinem bis dahin gefĂŒhrten Leben gleich, das er der politischen Zielsetzung fĂŒr die Freiheit des Individuums, Meinungs- und Pressefreiheit und andere heute als selbstverstĂ€ndlich empfundene BĂŒrgerrechte gewidmet hatte.

Er war kein EinzelkĂ€mpfer, denn „auch im Odenwald waren Bogen und die Ideen der 48er Revolution sehr prĂ€sent; vor allem auf Volksversammlungen in Michelstadt und Erbach“, stellte der Referent vor ĂŒber 30 Zuhörern fest.

DĂŒrre, Missernten, Hungersnot. Der Lindenplatz von Michelstadt wurde zum Ort des Widerstands gegen das Erbacher Grafenhaus und den DarmstĂ€dter Großherzog. Am 5. MĂ€rz 1846 formulierten 2000 Bauern ihre Forderungen nach einer gerechten Besteuerung und mehr BĂŒrgerrechte.

Drei Tage darauf wiederholte sich das Schauspiel vor den GrafenhĂ€usern in Erbach und Steinbach. Viele Quellen, darunter wiederholt „Der OdenwĂ€lder“, dienten Becker der Darstellung jener von politischem Enthusiasmus und der Vision von der Abschaffung der Feudalherrschaft und Monarchie geprĂ€gten Zeit. Die neue Zeitung bildete von Mai 1846 an einen poltischen Gegenpol zum „GrĂ€flich Erbachischen Wochenblatt“.

Bogen war bereits ein gebranntes Kind. Im Zuge des Wachensturms in Frankfurt am 3. April 1833 wurde Bogen in Untersuchungshaft genommen und zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Frankfurt war Sitz des Bundestags und Zielscheibe von AufstÀndigen.

Nach dreieinhalb Jahren Haft wurde er entlassen. Die Beteiligung am „hochverrĂ€terischem Komplott“ konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Bogen war zwar frei, bekam aber keine Arbeit und emigrierte in die Schweiz.

Die Ereignisse in der Heimat bewogen ihn zur RĂŒckkehr. Bogen stand an der Spitze der Bewegung und wurde in Erbach am 11. Mai 1848 zum Vertreter des Odenwalds im Wahlbezirk 4 Hessen-Darmstadt in die Nationalversammlung entsendet. Er schloss sich der linksgerichteten Fraktion „Deutscher Hof“ an.

Bekanntlich wurde das Parlament am 18. Juni 1849 von wĂŒrttembergischen Truppen gewaltsam aufgelöst. Bogen zĂ€hlte zu den Verhafteten. Am 11. Mai 1850 wurde er frei gesprochen. Von 1850 bis 1853 gehörte er der zweiten Kammer der LandstĂ€nde des Großherzogtums Hessen als Abgeordneter an.

Indem Ludwig III. mit seinem Edikt vom 9. Oktober 1850 das demokratische Wahlgesetz außer Kraft gesetzt hatte, sah Bogen fĂŒr seine politischen Ziele keine Zukunft mehr in Deutschland.

Von den Ereignissen enttĂ€uscht wanderte Bogen am 28. Juli 1853 in die USA aus und betĂ€tigte sich in New Ulm/Minnesota als Privatlehrer, Rechtsanwalt und Herausgeber der Zeitung „New Ulm Post“. Seine Frau Margareta Nix war bereits ein Jahr zuvor ausgewandert.