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Schule im „Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung“

Prof. Dr. Peter Struck beim Vortrag vor dem Lehrerkollegium der Georg-August-Zinn-Schule. Foto: Dr. Martin Schmidl

Der Pädagogische Tag an der Georg-August-Zinn-Schule Reichelsheim

REICHELSHEIM. - „Wir sind heute hier, weil wir Neues erfahren möchten zum Thema Lernen, Lernstrukturen, wie lernen Kinder besser, was müssen Lehrende in einer multimedialen Welt heute wissen. Dazu wird uns Prof. Dr. Peter Struck seine wesentlichen Erkenntnisse wiedergeben- wir sind jetzt alle gespannt darauf!“, begrüßte Schulleiterin Kirsten Gebhard-Albrecht das Kollegium der Georg-August-Zinn-Schule zum Pädagogischen Tag, den sie im Vorfeld zusammen mit Birgit Müller-Sterlinko, Angelika Mayer und Brigitta Gsell organisiert hatte.

Zu diesem Tag war Prof. Dr. Peter Struck, Erziehungswissenschaftler der Hamburger Universität, eingeladen worden, um dem Kollegium wissenschaftliche Ergebnisse und Informationen darüber vorzustellen, wie Vernetzungen im Gehirn junger Menschen heutzutage ausgeprägt sind und welches Umdenken dies für den Lehrer und seine Unterrichtsgestaltung bedeutet.

„Viele fragen sich: Wieso haben wir eigentlich keine finnisch-dänisch-schwedischen Schulverhältnisse?“, erklärte Prof. Struck und betonte: „Bei uns steht die Wissensvermittlung zu stark im Fokus, das Können muss im Zentrum stehen.“

Mit diesem Können meinte er nicht zuletzt Schlüsselqualifikationen wie Selbstständigkeit, Teamfähigkeit, Erkundungskompetenz, Handlungskompetenz, Konfliktfähigkeit, Kreativität, Flexibilität, Toleranz und die Fähigkeit zum vernetzenden Denken. Einen Eindruck davon, wie dieses Können erworben werden kann, bekam das GAZ-Kollegium im Rahmen von zwei kurzen Filmsequenzen über Schulen in der Schweiz und in Dänemark.

Während es sich bei der Schule in der Schweiz um eine Grundschule bis Klasse 6 handelt, in der Kinder selbst entscheiden, wann sie den Schritt vom entdeckenden Einstieg in die Schulzeit zum Klassenraum mit selbstbestimmten Lernen machen, kennzeichnet sich die Berufsschule in Dänemark dadurch, dass Schule hier zur Lernakademie mit Internetcafés wird, die künftig durchgängig geöffnet sein soll.

Beide Schulen verfolgen denselben Denkansatz: Schüler lernen, selbstständig zu lernen. Ein – wie Struck unterstrich – sinnvoller Ansatz, der gleichzeitig das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung mit sich bringe: „Wir müssen die Freiheit beim Lernen erhöhen, z.B. durch Wochenplanarbeit, in der jeder Schüler selbst entscheidet, wann er sich mit welcher Aufgabe beschäftigt. Gleichzeitig müssen wir dann aber auch die Kontrolle der Ergebnisse erhöhen.“

Gar nicht so einfach, bedenkt man, dass Jugendliche ab vierzehn Jahren die Welt ganzheitlich verstehen und reflektieren wollen- ein Prozess, den die Schule unterstützen soll. Anregungen dazu, wie eine solche Unterstützung konkret aussehen kann, gaben die Workshops in der zweiten Tageshälfte. Kirsten Bergs und Simone Fassmanns Workshop zeigte dabei auf, wie Bewegung in der Schule Konzentration fördern, aber auch Emotionen ausgleichen kann.

„Ihr könnt euch den Ärger aus dem Gesicht holen, indem ihr ihn von den Wangen streicht und gähnt, spätestens jetzt kommt die gute Laune zurück!“, erklärte Kirsten Berg in einer ihrer Übungen und Simone Fassmann machte deutlich, was eine „Bärenjagd“ und mit ihr verbundene Bewegungen mit dem Alltag im Klassenraum zu tun haben. „Entscheidend ist bei alledem: Es muss zu euch als Lehrer passen!“, rieten die beiden GAZ-Lehrerinnen den Kollegen.

Zur selben Zeit erläuterte Brigitta Gsell in einem anderen Raum im Rahmen des Workshop „Und wahrscheinlich lernst du falsch“ die Kaktusmethode, bei der der Lernende jemand anderem berichte, was er gelernt habe.

Wenn niemand da ist - so erläuertete die Referentin - , berichte man eben symbolisch dem Kaktus. Entscheidend sei, Schüler für ihren eigenen Lernprozess verantwortlich zu machen. „Ich möchte den Kollegen gerne zeigen, wie sie den Schülern helfen können, den eigenen Lernprozess zu verstehen und zu steuern“, erklärte Gsell.

GAZ-Pädagoge Mike Lippert thematisierte in seinem Workshop, welche Wirkung man mit Gestik, Mimik oder Körperhaltung bei seinen Mitmenschen erzielen kann. Er betonte, dass „in den ersten zwei bis vier Sekunden unsere menschliche Software versucht, das Gegenüber einzuordnen“ und man mit der falschen Geste oder Körperhaltung „ernstgemeinte Aussagen völlig in Frage stellen“ könne. Aus diesem Grund gab er in seinem Workshop Tipps für eine effektivere Wirkung und versprach: „Ihr werdet heute ein paar Zaubertricks dazu lernen!“

Währendessen knüpfte Jürgen Goltermann an die Thematik an, die Prof. Dr. Struck bereits in seinem Vortrag am Vormittag behandelt hatte: Die Vernetzungen des Gehirns. „Das Gehirn arbeitet assoziativ“, erläuterte er und beschrieb ferner: „Alles, was mit Abstraktem zu tun hat, wird über die linke Gehirnhälfte verarbeitet, alles, was mit Gefühlen, mit Emotionalem zu tun hat, über die rechte.“ Deshalb appellierte Goltermann an die Kollegen, unterschiedliche Wahrnehmungskanäle für die Schüler zu öffnen und zeigte einzelne Beispiele dafür in seinem Workshop auf.

Alle diejenigen, die Prof. Strucks Vortrag am Vormittag neugierig gemacht hatte, konnten im Nachmittagsworkshop weitere Informationen dazu bekommen, wie Schüler in ihrem eigenen Lernprozess Verantwortung übernehmen können- illustriert anhand von unterschiedlichen Filmbeiträgen zu Schulen und deren Konzepten.

Stellt sich nun abschließend die Frage: Wie kann die Georg-August-Zinn-Schule sich weiterentwickeln, sich weiter positiv verändern? Struck hat eine Antwort darauf: „Eine Schule kann nur so gut sein, wie die, die an ihr arbeiten.“ In diesem Sinne wird die GAZ weiterhin ihr Bestes geben.