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Windkraft im Odenwald: Wie viel CO2 spart Windkraft wirklich ein?

Die Fundamente für insgesamt fünf Windräder des Windparks Stillfüssel bei Wald-Michelbach inmitten eines ausgezeichnten Nahrungshabitats für geschützte Vogelarten sind bereits gegossen.

Hier werden das Darmstädter Energieunternehmen ENTEGA Regenerativ GmbH und die Erbacher Energiegenossenschaft EGO gemeinsam gut 200 Meteer hohe Windräder errichten. Fotos: BI >Rettet den Odenwald<

Bürgerinitiative „Rettet den Odenwald“: „Keine Fortschritte im Klimaschutz zu verzeichnen!“

ODENWALD. - „Ob und wie stark Windkraftanlagen (WKA) einen Beitrag zum Klimaschutz leisten hängt davon ab ob und wie viel CO2 durch ihren Betrieb an anderer Stelle vermieden wird“, sagt Dr. Richard Leiner, Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet den Odenwald“.

Beispielsweise rechne ENTEGA damit, dass die WKA am Stillfüssel im Wald oberhalb des Eiterbachtals jährlich 22.000 t CO2 einsparen werden – so war es in der Pressezu lesen1. Auch auf der Website des Bundesverbandes Windenergie (BWE) findet sich ein CO2-Rechner für Windstrom2: Pro produzierter MWh Windstrom werden 0,7 t CO2 vermieden.

„Je Windkraft desto Klimaschutz. Mit derartigen Zahlen arbeiten aber nicht nur Windstromanbieter sondern auch Bunderegierung, GRÜNE und BUND wenn sie in ihren Presserklärungen konkrete Zahlen zu Windkraft und Klimaschutz nennen“, sagt Dr. Leiner. Das Umweltbundesamt (UBA) berechne sogar jährlich auf die Kommastelle genau wie viel CO2 durch Windkraft und andere erneuerbare Energien vermieden würde.

Beispielsweise wurden demnach im Jahr 2012 durch EEG finanzierte Stromproduktion rund 82 Mio.t CO2 3 vermieden - und durch den weiteren Ausbau der Regenerativen im darauffolgenden Jahr sogar nochmals 2 Mio. t mehr (84,3 Mio t CO24).

„Wirft man jedoch einen Blick in die – ebenfalls vom UBA veröffentlichten – Zahlen des tatsächlich erfolgten CO2 Ausstoßes des Stromsektors, dann ist von Klimaschutz nichts mehr zu sehen: Der tatsächliche CO2 Ausstoß der Stromerzeugung sank nicht, sondern er stieg von 2012 auf 2013 um ganze 5 Mio t5.“

Zu beachten sei dabei dass der deutsche Stromverbrauch in diesem Zeitraum von 540 TWh auf538 TWh sank6 und die Atomstromproduktion konstant gewesen sei. Der CO2 Ausstoß hätte also eigentlich schon allein aufgrund des gesunkenen Stromverbrauchs abnehmen müssen!

„Ein Kernproblem des Windstroms ist, dass er in der Realität eben nicht die Kohlekraftwerke ersetzt hat sondern einfach zusätzlich produziert wurde. Das Problem ist nicht neu. Inzwischen gehen bereits schon wieder ältere Windräder vom Netz die in der Theorie einen Beitrag zum Klimaschutz darstellten – faktisch durch ihren Betrieb an anderer Stelle aber eben doch kein oder nur unwesentlich CO2 vermieden haben.

Dem Windkraftbetreiber kann es egal sein – er hat seine feste Vergütung für den >Ökostrom< erhalten und es ist seine Sorge nicht ob dieser jemals sinnvoll genutzt wurde. In der Klimaschutzdebatte wurde und wird leider mehr mit den theoretischen, den berechneten Werten als mit jenen der Realwirtschaft argumentiert.“

Auch der für die Entwicklung der Energiewende einflussreiche Thinktank „AGORA Energiewende“ habe Modellwerte genutzt statt der realen Werte um Klimaschutzerfolg im Stromsektor anzupreisen:

Der Zuwachs in der regenerativen Stromerzeugung sei beispielsweise in einem AGORA Vortrag im Rahmen einer Energiewende Veranstaltung des Wirtschaftsministeriums Hessens am 16.6.2015 in Kassel 7   einfach mit einem „CO2-Vermeidungsfaktor“ multipliziert worden, „und fertig war die Klimaschutz Erfolgsmeldung:

Dank des Ausbaus der regenerativen Energien seien die CO2 Emissionen im Stromsektor von 2012 auf 2013 sogar nicht nur um 2 Mio t sondern um fast 10 Mio t CO2 gesunken – diesen Eindruck vermittelt die irreführende Darstellung von AGORA – die genau so vom hessischem Wirtschaftsministerium übernommen wurde.“

Was dabei außen vor geblieben sei, „war mal wieder die Tatsache, dass der >Ökostrom< eben nicht zwangsläufig Strom aus Kohlekraftwerken ersetzte sondern einfach zusätzlich produziert wurde und dadurch zwar die Gesamtstrommenge stieg, aber die Kohlekraftwerke trotzdem weiterliefen.“

Die Folge sei, dass ausgerechnet die CO2 armen Gaskraftwerke vom Markt verdrängt und überschüssiger Strom ins Ausland exportiert worden sei – wo er ebenso Gaskraftwerke verdrängt habe, wie AGORA in einer anderen Veröffentlichung selbst zu Bedenken gab 8.

„Die von AGORA und UBA berechneten >Klimaschutzerfolge< der Energiewende wurden und werden vielfach übernommen und wie >reale< Werte gehandelt.

So basierte beispielsweise auch die Argumentation der energiepolitische Sprecherin der hessischen GRÜNEN bei ihrem Vortrag in Schönau im Odenwald auf den berechneten und nicht etwa den realen UBA Werten und auch die Heidelberger GRÜNEN nutzten die oben beschriebenen AGORA Folien mit den Modellwerten als Argumentationshilfe um einen – realen - klimaschutzpolitischen Wert des Baus von Windkraftanlagen auf Heidelberger Gemarkung zu begründen.

„Der in den letzten Jahren tatsächlich durch den massiven Ausbau der regenerativen Energieerzeugung erzielte Beitrag zum Klimaschutz sei angesichts des betriebenen Aufwandes denkbar gering: Von 2010 bis 2015 stieg der Anteil der Erneuerbaren an der jährlichen Gesamtstromproduktion in Deutschland von 17% (104 TWh) auf 32% (187 TWh).

Gegenüber 2010 wurde also dank massiver EEG Förderung die regenerative Stromproduktion um 83 TWh gesteigert. Wendet man vereinfachend die Rechenlogik des oben erwähnten BWE „CO2 Rechnens“ auf die gesamte regenerative Stromerzeugung an, dann hätte von 2010 bis 2015 der CO2 Ausstoß um etwa 58 Mio t gemindert werden müssen (83 Mio MWh x 0,7 t Co2 /MWh = 58 Mio t CO2).

Tatsächlich sank der CO2 Ausstoß im Stromsektor in diesem Zeitraum aber lediglich um 3 Mio t CO2- also um nur 0,9%. Eine Steigerung des Anteils der Regenerativen an der Gesamtstromproduktion um 15% (von 17% auf 32%) steht einer CO2 Reduktion im Stromsektor von 0,9 % gegenüber!“

Und wie alle Jahre wieder, wenn die Endauswertungen des vergangenen Jahres abgeschlossen und die „aktuellen“ Werte der CO2 Emissionen veröffentlicht seien, werde wieder offenbar: Die Energiewende versage erneut in ihrem wichtigsten Ziel – dem Klimaschutz: „2016 sind die Gesamtemissionen gegenüber dem Vorjahr wieder einmal gestiegen.“

Dieses Jahr gestehe das Bundesumweltministerium erstmals ein, dass der ehemalige Klimaschutzvorreiter Deutschland nicht einmal mehr seine internationalen Klimaschutzverpflichtungen werde einhalten können.

„Fokussiert wird die Debatte bei der Ursachensuche dann interessanter Weise sofort auf die Verfehlungen im Verkehrssektor9. Diese sind jedoch nicht weiter verwunderlich - wurde hier in den letzten Jahren klimaschutzpolitisch auch praktisch nichts unternommen.

Genauso wenig wie im Wärmesektor. Was mit der Debatte um mangelnde Klimaschutzerfolge im Verkehrssektor untergeht ist die Tatsache, dass aber auch im Stromsektor seit sieben Jahren - seit Beginn der >beschleunigten Energiewende< - keine Fortschritte im Klimaschutz zu verzeichnen sind!“

Das sei umso bemerkenswerter, als dass man Deutschland nicht gerade Untätigkeit vorwerfen könne: Die Förderung der regenerativen Stromerzeugung erfolge mit der finanziellen Brechstange – inzwischen belaufe sich die „Öko“Stromförderung auf jährlich rund 25 Milliarden Euro!

„Dies entspricht der Höhe des türkischen Militäretats. Es ist derzeit nicht erkennbar, dass der Bau immer höherer WKA in immer windschwächeren Regionen in ökologisch immer sensibleren Gebieten einen ernstzunehmenden – realen und nicht nur berechneten - Beitrag zum Klimaschutz leisten wird.“

Doch nicht genug, dass die immense EEG-Förderung von Windkraft oder Biogasanlagen der letzten Jahre den Klimaschutz nicht voran gebracht habe. Noch erschreckender seien die im Namen der „Energiewende“ erfolgten massiven Naturzerstörungen in Feldern und Wäldern.

Auch die vor allem in GRÜN geführten Landesministerien vorangetriebene Aushöhlung des bestehenden Natur- und Landschaftsschutzes zugunsten der Windkraftlobby – sowie die bei WKA an den Tag gelegte abenteuerliche, Naturschutzstandards missachtende Genehmigungspraxis“, sei höchst auffällig.

Vor diesem Hintergrund werde vielleicht verständlich, warum nicht nur betroffene Anwohner sondern „auch Natur- und Umweltschützer in Frage stellen ob wir in der Klima- und Naturschutzpolitik tatsächlich >auf dem richtigen Weg< sind.“

1 https://www.rnz.de/nachrichten/metropolregion_artikel,-windpark-am-stillfuessel-mit-einem-uhu

gegen-fuenf-windraeder-_arid,303700.html

2 https://www.wind-energie.de/themen/natur-und-umweltschutz/klimaschutz

3 UBA 2013: Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger Bestimmung der vermiedenen Emissionen

im Jahr 2012 S. 21

www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/climate_change_15_2013_emissionsbilanz_erneuerbarer_energietraeger_0.pdf

4 UBA 2014: Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger Bestimmung der vermiedenen Emissionen

im Jahr 2013 S. 7

www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/climate_change_29_2014_schrempf_komplett_10.11.2014_0.pdf

5 Siehe UBA „Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den

Jahren 1990 bis 2015“ S.6 Tabelle 1.

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/climate_change_26_2016_entwicklung_der_spezifischen_kohlendioxid-emissionen_des_deutschen_strommix.pdf

www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/climate_change_26_2016_entwicklung_der_spezifischen_kohlendioxid-emissionen_des_deutschen_strommix.pdf

6 www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/climate_change_26_2016_entwicklung_der_spezifischen_kohlendioxid-emissionen_des_deutschen_strommix.pdf

7 Siehe z.B. Vortrag AGORA vom 16.6.2015 Folie 9


www.energieland.hessen.de/aktion/zukunftswerkstatt/kassel/Graichen_Windenergie-Anhoerung.pdf

8 Siehe z.B. S. 1

https://www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2014/Energiewende-Paradox/Analyse_Energiewende_Paradox_web.pdf

https://www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2014/Energiewende-Paradox/Analyse_Energi

ewende_Paradox_web.pdf

9 Siehe z.B.

http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-03/co2-ausstoss-umweltbundesamt-klimaziel-deutschland