Mit Nadel und Faden zum Leseknochen
WĂśRZBERG. - Anne Gerbig ist eine gefragte Frau, ebenso wie Annette Emig, Edith Raitz-Walther, Brigitte Spatz und Christel Trumpfheller.
Beim wöchentlichen Treff „Nadel und Faden“ im evangelischen Gemeindehaus in Würzberg müssen die fünf permanent ansprechbar sein für ein Dutzend Mädchen im Grundschulalter, die fleißig sticheln; die Nähmaschinen schnurren.
An diesem Nachmittag entstehen sogenannte Leseknochen. Wer vermutet, es handele sich hierbei um einen Biologie- oder Anatomiekurs, der liegt freilich falsch.
Das Stoffteil heißt so, weil seine Form einem Knochen ähnelt; tatsächlich handelt es sich um ein Nackenkissen für eine angenehmere Lesehaltung.
Aber von wegen Biologie – so ganz falsch scheint dieses Stichwort doch nicht zu sein, denn ein Tisch versammelt alle kreativen Erzeugnisse der vergangenen Monate, und da fallen ins Auge:
Tintenfische, Frösche, auch ein Elch, ferner Eulen sowie die eine oder andere Fantasiefigur. In der Osterzeit dürfen auch Hasen und Küken nicht fehlen. Ein beeindruckendes Sortiment.
„Wir lehren die Kinder alle wichtigen klassischen Handarbeitstätigkeiten“, erzählt Anne Gerbig, die selbst bis zu ihrem Ruhestand als Fachlehrerin für Ernährung und Hauswirtschaft an der Michelstädter Berufsschule unterrichtet hat.
„Wir nähen, stricken und häkeln“, zählt sie auf, „aber auch Weben, Knüpfen, Flechten und Filzen gehören dazu“. Gemeinsam wurden auch schon kunstvolle Karten gestickt.
Die Nähmaschine kommt zwar immer wieder zum Einsatz, das meiste aber sei auch im engeren Sinn reine Handarbeit. Und die Kinder sind begeistert dabei. „Viele würden gerne auch in den Ferien noch kommen“, freut sich Anne Gerbig.
Begründet wurde „Nadel und Faden“ von Annette Emig vor über zehn Jahren als Angebot der Evangelischen Kirchengemeinde Würzberg, in deren Kirchenvorstand (KV) sie sich mittlerweile in der dritten Amtszeit ehrenamtlich engagiert.
Bis zur Bildung der neuen Gesamtkirchengemeinde Michelstadt Anfang dieses Jahres war sie in Würzberg sogar KV-Vorsitzende. Nach wie vor leitet sie „Nadel und Faden“. „Es gibt ja fast keinen Handarbeitsunterricht mehr in den Schulen“, weiß sie; darum gelte es sich auf andere Weise diese Fähigkeiten anzueignen.
Und ganz nebenbei werden auch die Feinmotorik und das kreative Denken gefördert. Annette Emig spricht da aus eigener Erfahrung, „weil ich selbst gerne Handarbeiten mache“, verrät sie. Und so ist sie zusammen mit ihren Mitstreiterinnen mit ganzem Herzen dabei.
Worüber sie sich freuen würde, das wäre, wenn noch die eine oder andere handarbeitsbegeisterte Betreuungskraft dazustoßen würde – denn, wie gesagt, Rat und Hilfe sind immer gefragt.
Jeweils nach den Sommerferien beginnt der wöchentliche Kurs und dauert bis zu den Osterferien, dann ist ein paar Monate Pause. Maximal 16 Kinder im Grundschulalter können teilnehmen – meist sind es überwiegend oder gar ausschließlich Mädchen, aber Jungen sind genauso willkommen.
Freitagsnachmittags wird der GroĂźe Saal im evangelischen Gemeindehaus hinter der WĂĽrzberger Kirche fĂĽr eineinhalb Stunden zur Kreativ-Werkstatt.
Zum Abschluss gibt es in geselliger Runde Kuchen und Kakao. Gemeinschaft ist ein wichtiges Stichwort, ebenso Kreativität und Freude bei der Arbeit – sowie dann an den Ergebnissen. Mit dem selbstgemachten Leseknochen im Nacken macht die Lektüre hernach doppelte Freude.