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Erbacher Parlamentarier wollen keine >Kita Kunterbunt< 2.0

ParlamentsausschĂŒsse und Stadtverordnetenversammlung ringen heftig um dringend erforderliche Lösungen fĂŒr den Fehlbedarf an Kinder-BetreuungsplĂ€tzen und lehnen teueres Angebot ab

ERBACH. - Der Bedarf an BetreuungsplĂ€tzen fĂŒr Kinder ist landauf, landab groß, die Wartelisten sind prall gefĂŒllt. So auch in Erbach.

Mit dieser Thematik beschĂ€ftigen sich zwangslĂ€ufig aktuell die MandatstrĂ€ger der Kreisstadt. So zuletzt die Parlamentarier aus dem Haupt- und Finanzausschuss, dem Sozialausschuss und dem Bauausschuss bei deren gemeinsamer Sitzung im Vorfeld der jĂŒngsten Parlamentssitzung, wie auch in der Stadtverordnetenversammlung selbst.

"90 Prozent Bedarfsdeckung in Erbach besorgniserregend"

Die Betreuungsdeckung in der OdenwÀlder Kreisstadt lag per 01.03.2023, dem Stichtag der bundesweiten Ermittlung, bei 90 Prozent. Das entsprach einer Warteliste mit 107 Kindern, die alle einen gesetzlichen Betreuungsanspruch haben.

Die gesetzlichen und institutionellen Vorgaben lagen in der OdenwÀlder Kreisstadt im Vorjahr noch bei 100%, wÀhrend die aktuelle Situation mit 107 FehlplÀtzen bei steigender Tendenz absolut unbefriedigend ist.

„Bei einer bundesweit durchschnittlichen Betreuungsdeckung von 97 Prozent fĂ€llt die reale Deckung von 90% in Erbach besorgniserregend sehr ab“, stellte Dr. Sebastian Schmitz fest.

Der im Jugendamt des Landratsamts fĂŒr die Entwicklung der Kinderzahlen und Betreuungs- und Versorgungsquoten in der Kinderbetreuung zustĂ€ndige Referent und seine Kollegin Yvonne Feldmann legten die aktuellen Zahlen den Erbacher Parlamentariern vor.

Naturkindergarten und Aufstockung der Kita Sonnenschein als Teillösungen

Die MandatstrĂ€ger beschĂ€ftigten sich anschließend mit Lösungsmöglichkeiten zur Beseitigung der Unterdeckung in der Kinderbetreuung. FĂŒr Teillösungen des aktuellen Bedarfs sollen im Stadtteil GĂŒnterfĂŒrst ein Naturkindergarten mit rund 20 PlĂ€tzen, sowie die Aufstockung der Kita Sonnenschein in der Kernstadt fĂŒr weitere zwei Regelgruppen a 25 PlĂ€tze sorgen.

Der weitere aktuelle Bedarf, wie auch die zu erwartende Steigerung (Schmitz: Der statistische Bedarf steigt derzeit jÀhrlich um 20 bis 50 PlÀtze in vergleichbaren Kommunen, bei nicht erkennbarer Umkehrtendenz) sollen durch die Errichtung einer zusÀtzlichen Kita gedeckt werden.

Der Fachmann aus dem Erbacher Jugendamt betonte, es seien derzeit keine seriösen Bedarfsplanungen möglich. Und seine Kollegin Feldmann ergĂ€nzte: „Die Wartelisten sind nicht identisch mit dem tatsĂ€chlichen Bedarf.“

EGO bietet mögliche Lösung in der Kandelhalle SĂŒd an

Zu einer möglichen Lösung der aktuellen Situation in Erbach liegt der Stadtverwaltung ein Angebot der Energiegenossenschaft Odenwald (EGO) vor, die in ihrer sogenannten Kandelhalle SĂŒd auf dem frĂŒheren BrauereigelĂ€nde Raum fĂŒr 75 BetreuungsplĂ€tze (drei Gruppen ĂĄ 25 Kinder) schaffen will.

Die erforderlichen Umbaumaßnahmen könnten laut EGO bis Mitte kommenden Jahres abgeschlossen sein. Die dafĂŒr anfallenden Mietkosten sind mit jĂ€hrlich 360.000 Euro veranschlagt und sollen auf 30 Jahre festgeschrieben werden.

Diese Summe wie auch die Erlebnisse mit der Kita >Kunterbunt< auf dem gleichen GelĂ€nde im Besitz der EGO schreckten die in den AusschĂŒssen vertretenen Parlamentarier gleichsam ab. Sie empfahlen daher die Suche nach Alternativen durch den Magistrat.

Kosten und Negativerlebnisse mit >Villa Kunterbunt< schrecken Parlamentarier ab

In der Ära unter BĂŒrgermeister Harald Buschmann und dem frĂŒheren Stadtbaumeister Martin La Meir war die Kita Kunterbunt in einem EGO-GebĂ€ude auch mit erheblichen Fördermitteln entstanden. Diese Fördermittel wurden spĂ€ter zurĂŒckverlangt weil die stĂ€dtische Investition nicht in ein eigenes, vielmehr in ein FremdgebĂ€ude erfolgte und deshalb nicht förderfĂ€hig war.

Der BĂŒrgermeister zog daher jetzt die Beschlussvorlage im Parlament zurĂŒck, um zunĂ€chst den PrĂŒfauftrag zu erledigen. Gleichzeitig votierte Traub jedoch fĂŒr dieses Angebot „weil wir keine schnellere Lösung haben“.

Bereits in der gemeinsamen Ausschusssitzung kamen erhebliche Zweifel am vorliegenden EGO-Konzept auf. SPD-Fraktionschef Gernot Schwinn betonte: „Der vorliegende Mietvertrag beinhaltet insbesondere die zu erbringenden stĂ€dtischen Leistungen, aber was bekommen wir dafĂŒr?“ Diese Beschreibung fehle im vorliegenden Angebot.

„So passt das nicht zusammen!“

Auch Michael GĂ€nssle, Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses, Ă€ußerte fĂŒr die ÜWG-Fraktion Zweifel: „So passt das nicht zusammen!“ Und Horst Pilger (SPD, Vorsitzender des Sozialausschusses) machte auf die in einem Industriegebiet liegende Immobilie aufmerksam, die besonderen Richtlinien insbesondere fĂŒr Kitas unterliege.

GĂ€nssle sieht vorwiegend die jĂ€hrlichen Kosten von 360.000 Euro als Hemmnis fĂŒr eine solche Lösung: „Der Mietvertrag bringt ein Vorteil, aber fĂŒr mindestens zehn Jahre viele Nachteile.“

Vor diesen HintergrĂŒnden tauchten reihum Fragen nach Alternativen auf, die genauso schnell umsetzbar seien. Diesen entgegnete BĂŒrgermeister Dr. Traub: „Es gibt keine schnellere Möglichkeit.“

Modulare Containerbauweise könnte kurzfristig fĂŒr Abhilfe sorgen

Klaus-Peter Trumpfheller (CDU, Vorsitzender des Bau- und Planungsausschusses) brachte die modulare Containerbauweise ins Spiel, die eventuell kurzfristig am Standort um die Festhalle fĂŒr Abhilfe sorgen könne.

Das sei einn zulĂ€ssiger Gedanke, sagte Traub, er glaube allerdings nicht, dass das die Lösung sein könne, denn auch Container seien nicht einfach an einem Standort zu platzieren, sie mĂŒssten vielmehr mit diversen Versorgungsleitungen versehen werden.

Traub: „Wir kommen auch bei Containern unter 240.000 Euro nicht weg“

„Daher kommen wir auch bei Containern unter 240.000 Euro nicht weg“, glaubt der BĂŒrgermeister. Auch sei die Wahrscheinlichkeit, aktuell entsprechende Container beschaffen zu können, Ă€ußerst gering. Daher sei das vorliegende EGO-Angebot auch ohne zu erwartende Fördermittel dennoch gĂŒnstiger.

Lucie Myska (ÜWG) zeigte sich verwundert: „Auf einmal drĂ€ngt die Zeit und die Kosten spielen offensichtlich keine Rolle mehr.“ Dem entgegnete Traub, die Verwaltung habe den Bedarf seit lĂ€ngerer Zeit angemahnt. „Wir wĂ€ren schon weiter“, spielte der BĂŒrgermeister auf fehlende ParlamentsbeschlĂŒsse an.

Das wiederum wollte die Fraktionschefin der GRÜNEN, Christa Weihrauch nicht auf sich beruhen lassen und konterte: „Den Schuh kann man uns nicht anziehen!“ Horst Pilger möchte vor einem möglichen Beschluss zunĂ€chst Rechtssicherheit bezĂŒglich der Auflagen fĂŒr eine weitere Kita im Industriegebiet und auch Gernot Schwinn will „keinen Blankobrief unterschreiben“.

Vor endgĂŒltiger Entscheidung Alternativen prĂŒfen

Die Ausschussmitglieder waren sich schlussendlich einig zunĂ€chst Alternativen zu prĂŒfen bevor eine abschließende Entscheidung getroffen werden soll. Diesem Ansinnen entsprach der BĂŒrgermeister, indem er den Verwaltungsantrag fĂŒr die folgende Parlamentssitzung zurĂŒckzog.

Der Magistratsvorlage zum Grundsatzbeschluss zur Reduzierung der GruppengrĂ¶ĂŸen in den stĂ€dtischen KindertagesstĂ€tten wurde in der Parlamentssitzung nicht entsprochen, auch wenn fraktionsĂŒbergreifend Konsens vorherrschte dieses Thema aufzugreifen. ZunĂ€chst aber soll der aktuelle Platzbedarf gedeckt werden..

BĂŒrgermeister Traub sieht dringenden Bedarf, den BetreuungsschlĂŒssel fĂŒr die Erzieherinnen und Erzieher zu verbessern und will die Gruppen der Ü3-Kinder von 25 auf 20 PlĂ€tze, die der U3-Kinder von zwölf auf zehn PlĂ€tze senken.

Das solle schrittweise nach der zunĂ€chst dringenden Bedarfsdeckung erfolgen und sei ĂŒberfĂ€llig. Die Arbeit sei fĂŒr die Mitarbeiter nicht mehr zumutbar, sagte der Rathauschef. „Allein in der letzten Woche haben drei Erzieher gekĂŒndigt. Auch liegen fĂŒnf Überlastungsanzeigen vor.“

Augenmerk gehört  zunĂ€chst ausschließlich der Bedarfsdeckung

SPD-Fraktionschef Gernot Schwinn warnte davor schon in der Ausschusssitzung: „Wenn man einen solchen Beschluss fasst, kommen auf die BĂŒrger mehr Belastungen zu. 

Vorrangig ist der Bedarf zu decken und erst dann kann man sich Gedanken machen die BĂŒrger zu fragen, ob Geld in die Hand genommen werden soll, ĂŒber die PflichterfĂŒllung hinaus eine QualitĂ€tsverbesserung vorzunehmen.“ Anderes sei unredlich und zunĂ€chst jedenfalls sei dies auch zweitrangig und das Augenmerk gehöre ausschließlich der Bedarfsdeckung.

GruppengrĂ¶ĂŸen in Erbach derzeit identisch mit allen anderen Kitas im Odenwaldkreis

Die GruppengrĂ¶ĂŸen seien in Erbach seien derzeit konform mit allen anderen BetreuungsstĂ€tten im Odenwaldkreis, erklĂ€rte Gudrun Gebhard (GRÜNE) und wurde auf Nachfrage bestĂ€tigt von Yvonne Feldmann. Und Christa Weyrauch ergĂ€nzte: „Das Vorgehen ist verfrĂŒht. Es gibt keinen Zeitdruck.“

Das einmĂŒtige Ergebnis der AusschĂŒsse, prioritĂ€r die aktuelle Warteliste abzubauen, bevor man die GruppengrĂ¶ĂŸen reduziert, fand sich dann als einstimmiger Parlamentsbeschluss wieder. Ebenso einstimmig wurde die Verwaltung beauftragt, zeitnah PlĂ€ne fĂŒr weitere 120 BetreuungsplĂ€tze fĂŒr Ü3- und 24 PlĂ€tze fĂŒr U3-Kinder mit Umsetzungsfrist bis Mitte 2025 vorzulegen.

Die von Traub eingebrachte „QualitĂ€tsoffensive“ mit schrittweiser Reduzierung der GruppenstĂ€rken nach ausreichend zur VerfĂŒgung stehender PlĂ€tze wurde zurĂŒckgestellt. Dies trotz der Bekenntnis aller Fraktionssprecher, darauf hinarbeiten zu wollen.

Einstimmiges Votum fĂŒr Aufstockung der Kita „Sonnenschein“

Einstimmig wurde die Aufstockung der Kita „Sonnenschein“ beschieden. Dort soll es dann auch ein Krippenangebot geben. Der Machbarkeitsstudie entsprechend können dort mittels Aufstockung weitere 270 Quadratmeter fĂŒr drei weitere Gruppe und einen Aufenthalts- und Sozialraum entstehen.

Der Finanzbedarf fĂŒr den Ausbau wurde auf 850.000 Euro taxiert. Dazu könne ein Betrag von 300.000 Euro, der mit Sperrvermerk versehen im Haushalt 2023 fĂŒr solche Zwecke eingestellt ist, vom Parlament freigegeben werden. Die weiteren Kosten mĂŒssten ĂŒber den neuen Haushalt 2024 finanziert werden, erlĂ€uterte der BĂŒrgermeister.

CDU sieht >Werner-Borchers-Halle< als Option

Bei einem Informationstermin sollen die MandatstrĂ€ger ĂŒber die möglichen Konstellationen zum vorliegenden EDO-Angebot sowie weiterer Optionen in Kenntnis gesetzt werden. Dazu zĂ€hlt auch die von der CDU-Fraktion vorgeschlagene Variante >Werner-Borchers-Halle<.

Fraktionschef Erich Petersik verwies auf die derzeit ungenutzten RĂ€umlichkeiten des frĂŒher hier angesiedelten Elfenbein-Museums. „Diese RĂ€ume gehören uns, sie wĂŒrden sich sehr gut fĂŒr die Kinderbetreuung eignen und wir mĂŒssten keine Miete zahlen“, sagte er.

Umbauarbeiten kostensparend durch stÀdtischen Bauhof möglich

Hier könne man die barrierefreie RĂ€ume flexibel einteilen, hĂ€tte eine Fußbodenheizung und habe auch eine großzĂŒgige AußenflĂ€che. Auch sei der Standort zentral und verkehrsgĂŒnstig sowie in Sachen LĂ€rmbelastung prĂ€destiniert fĂŒr diesen Zweck. Umbauarbeiten könnten durch den Bauhof erfolgen, was einer weiteren Kostenersparnis gleichkomme.

Der in diesem GebĂ€ude ansĂ€ssige Gastronom könne als Caterer fĂŒr die Kita geworben werden. Der BĂŒrgermeister warf ein, auch die Musikschule Odenwald liebĂ€ugele mit diesen RĂ€umlichkeiten zbd will zunĂ€chst alle Optionen auf den PrĂŒfstand gestellt wissen. Die richtigen Weichen dazu seien gestellt.