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LESERBRIEF: Die „Hybris der Politik“

Wozu braucht Bensheim eigentlich drei hauptamtliche Magistratsmitglieder?

BENSHEIM. - Man kennt die Auswüchse in Politik und Verwaltung. Die Normgröße des Deutschen Bundestages beispielsweise liegt bei 598 Abgeordneten. Derzeit sind es sogar 709. Listenplätzen und Überhangmandaten sei Dank.

Und es sind Wahlausgänge denkbar, bei denen die Zahl auf mehr als 800 steigt. Das ist nicht nur teuer - die Abgeordneten beziehen Diäten, haben Anspruch auf Mitarbeiter und Räume. Es gefährdet auch die Arbeitsfähigkeit des Parlaments, bei dem man sich ohnedies bisweilen fragt, was es eigentlich tut.

Aber warum in die Ferne schweifen? In Bensheim leistet man sich drei hauptamtliche MagistratsmitgliederInnen. Wenn ich etwas Gutes daran finden soll, dann vielleicht die Tatsache, dass hier ein Beitrag zur Geschlechtergleichstellung erfolgt. Das war´s dann aber auch schon.

Geldwert betrachtet ist eine solche Stelle gemäß der Kommunalbesoldungsverordnung nach Besoldungsgruppe B 2 eingestuft. Zusätzlich wird eine Aufwandsentschädigung gewährt, außerdem Versorgungsaufwendungen. Auf die Wahlperiode von sechs Jahren sind das bei drei Personen über 2 Milliönchen Euro inklusive allerhand klangvoller Nebengeräusche.

Was mir da entfährt? „Ich glaub´ es bimmelt.“ Bensheim ist überschuldet, kaum zukunftsfest und kann wesentliche Aufgaben nicht mehr wahrnehmen. Unzureichende Kinderbetreuung, Kreissaalschließungen sind hier nur die jüngsten Beispiele.

Stattdessen wird das Geld mit unsinnigen Prestigeprojekten wie dem Neubau des Hauses am Markt und der extrem teuren Sanierung des Bürgerhauses zum Fenster rausgeworfen, während andererseits ein schlüssiges Stadtentwicklungskonzept völlig fehlt.

Mögliche Mauscheleien, bei denen die Gebrüder Richter eine zumindest undurchsichtige, sicher aber nicht mehr nachvollziehbare Rolle spielen, kommen noch hinzu. In dieser Stadt gärt es. Vermittelbar sind solche ungezügelten Auswüchse jedenfalls nicht mehr.

„Wein saufen und Wasser predigen. Der Steuerzahler, die Melkkuh der Nation, wird´s schon richten.“ Das scheint die Handlungsmaxime derer zu sein, die vergessen haben, dass sie dem Volk zu dienen haben, geschweige denn nicht mehr zu wissen scheinen, wer oder was dieses überhaupt ist. Stimmvieh jedenfalls nicht.

Dass es auch anders geht, zeigt u.a. die Stadt Kelkheim, von der Einwohnerzahl mit Bensheim vergleichbar. Da kommt man neben dem Bürgermeister ohne hauptamtliches Ratspersonal aus.

Im Übrigen schickt der Landesrechnungshof regelmäßig Beratungsgesellschaften wie Kienbaum durch die Kommunen, um die Missstände in der Verwaltung aufzudecken. In Bensheim tut das dringend not, man hört da allerhand.

Ineffizienzen aufgrund struktureller Defizite wegen des hier beschriebenen Wasserkopfes sind dabei das Eine. Grottenschlechtes Personalmanagement unter dem immer wieder auch mal missliebige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erheblich zu leiden haben, das Andere.

Es ist höchste Zeit, dass den Handelnden hier genauer auf die Finger geschaut wird. Bitte fortan noch stärker parlamentarisch. Außerparlamentarisch geschieht das seit einiger Zeit löblich durch die „Vereinigung der mutigen Bürgerinnen und Bürger“. Hier bitte dranbleiben!

Stefan Koch