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„Wie ein Spaziergang durch den wachen Geist eines Mannes im 18. Jahrhundert“

Freude ĂŒber die Eigentums-VervollstĂ€ndigung des Landes Hessen an den Erbacher KunstschĂ€tzen bei Kirsten Worms, Direktorin der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und GĂ€rten in Hessen, Graf Eberhard zu Erbach-Erbach, StaatsekretĂ€rin Ayse Asar und der Leiterin der GrĂ€flichen Sammlungen Schloss Erbach, Dr. Anja Kalinowski (von links nach rechts).

ErlÀuterte die wichtigsten der 326 neu erworbenen Kunstwerke: Dr. Wolfgang Savelsberg (rechts), Abteilungsleiter ...

... Schlösser und Sammlungen der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, der auch die Wertermittlung der Kunstwerke geleitet hatte.

Interessiertes Publikum bei der PrÀsentation der ...

... neu erworbenen Kunstwerke im Erbacher Schloss.

Dr. Anja Kalinowski (links) erlÀutert einzelne Kunstwerke.

Freude auch bei den politischen Vertretern, der Bundestagsabgeordneten Patricia Lipps (CDU), dem Landtagsabgeordneten Frank Dieffenbach und der StaatssekretĂ€rin Ayse Asar (beide GRÜNE, von rechts nach links) ĂŒber den Erwerb der Kunstwerke. Fotos: er

326 Kunstwerke aus den Sammlungen in Schloss Erbach vom Land Hessen erworben + + + StaatssekretĂ€rin Ayse Asar: Dank an die Förderer + + + Mit dem zweiten Ankauf ist „das Ensemble Erbach wieder in einem Eigentum vereint“

ERBACH. - „Heute wurde Erbach so gewĂŒrdigt, wie es ist, sich prĂ€sentiert“, sagte Graf Eberhard zu Erbach-Erbach in seiner Dankesrede an die Vertreter aus Politik und Stiftungen, die zuvor ein umfassendes Bild ĂŒber die Sammlungen im Schloss Erbach skizziert hatten. Er zeigte sich sicher: „Erbach wird voll erstrahlen!“

Dr. Stephanie Tasch, Dezernentin der Redaktion Patrimonia der Kulturstiftung der LĂ€nder emfand den Rundgang durch die Sammlungen im Schloss Erbach „wie ein Spaziergang durch den wachen Geist eines Mannes im 18. Jahrhundert.“

Anlass der PrĂ€sentation war der Ankauf von 326 Kunstwerken aus den Sammlungen in Schloss Erbach durch das Land Hessen. Damit vervollstĂ€ndigt das Land sein Eigentum an den Erbacher KunstschĂ€tzen, nachdem im Jahr 2005 bereits der grĂ¶ĂŸere Teil davon sowie das Schloss selbst erworben worden waren.

Der vom Bund und drei Kulturstiftungen unterstĂŒtzte Ankauf in Höhe von zwei Millionen Euro sichere den Erhalt aller BestĂ€nde an ihrem originalen Bezugsort dauerhaft fĂŒr die Öffentlichkeit.

Auf diese Weise wird nicht nur das gewachsene Gesamtkunstwerk in Erbach bewahrt, sondern erstmals auch die wissenschaftliche Erforschung von teilweise wenig bekannten dynastischen Familienbildnissen und Archivalien ermöglicht.

Schloss Erbach ist in der Liste national wertvollen Kulturguts als „Sachgesamtheit aus GebĂ€ude und den darin befindlichen Sammlungen, GemĂ€lde, Archivalien, insbesondere Kataloge und Bestandsarchive“ verzeichnet (Nummer 07801).

Zu den Kunstobjekten zÀhlt ein hochbedeutender Werkbestand mit 13 nassau-oranischen PortrÀts von der Hand der niederlÀndischen Meister Anthonis van Dyck (und Werkstatt), Gerard van Honthorst (und Werkstatt), Michiel von Mierevelt und Wybrand de Geest.

Sie sind die HauptstĂŒcke einer 300 Jahre Geschichte umspannenden Ahnengalerie, die als Keimzelle der Erbacher Sammlungen gilt. Außerdem gehören prachtvolle, kĂŒnstlerisch illustrierte Bestandskataloge zum Gesamtkonvolut, die der bedeutendste Vertreter des Erbacher Grafengeschlechts, Franz I. zu Erbach-Erbach (1754-1823), mit wissenschaftlicher Sorgfalt verfasste.

Sein Enkel, Graf Eberhard XV. (1818-1884), fĂŒhrte sie fort, so dass das Land insgesamt 19 BĂ€nde erwirbt. Aus der Hinterlassenschaft Eberhards wurde zudem ein eindrucksvoller Komplex sakraler Werke als Teil der Ausstattung in der Hubertuskapelle angekauft.

Bei einer Feier am 4. Juli im Erbacher Schloss dankte die StaatssekretĂ€rin im Hessischen Ministerium fĂŒr Wissenschaft und Kunst, Ayse Asar, den UnterstĂŒtzern fĂŒr ihre großzĂŒgige Zuwendung zu den Erbacher Sammlungen.

Das Ensemble Erbach sei nun in wieder in einem Eigentum vereint. Kultur werde „durch gemeinschaftliches Handeln gestĂ€rkt“ und brauche „gelegentlich einen langen Atem“. Die Direktorin der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und GĂ€rten, Kirsten Worms, schloss sich dem Dank an und unterstrich die Verpflichtung, die Neuerwerbungen der Forschung zugĂ€nglich zu machen.

„Sie sind fĂŒr die hessische Kulturlandschaft unverzichtbar und bleiben dem Publikum kĂŒnftig als einzigartige Einheit national wertvollen Kulturgutes erhalten.“

Die von unabhĂ€ngigen Gutachtern bestĂ€tigte Gesamtsumme wird mit 700.000 Euro aus Mitteln der Bundesbeauftragten fĂŒr Kultur und Medien, mit 600.000 Euro durch die Ernst von Siemens Kunststiftung, mit 500.000 Euro von der Kulturstiftung der LĂ€nder sowie mit 200.000 Euro durch die Hessische Kulturstiftung finanziert.

Miteigentum an einem Teil der Artefakte erwerben die Bundesbeauftragte sowie die Ernst von Siemens Kunststiftung, stellen sie aber der VSG als Vertreterin des Landes in Form von Dauerleihgaben zur VerfĂŒgung.

2005 war fĂŒr diesen zweiten Ankauf bereits ein Vorkaufsrecht fĂŒr das Land verabredet worden, damit Teile des Bestandes nicht zerstreut und ihres ĂŒber die Jahrhunderte im Wesentlichen kaum verĂ€nderten Kontextes beraubt wĂŒrden.

In einem Statement der Bundesbeauftragten fĂŒr Kultur und Medien, Monika GrĂŒtters, heißt es: „Der erfolgreiche Ankauf der Ahnengalerie und der Prachtkataloge der GrĂ€flichen Sammlungen ist ein wahrer GlĂŒcksfall fĂŒr das Schloss Erbach, fĂŒr das Land Hessen und nicht zuletzt fĂŒr die Kulturnation Deutschland.

Mit diesen Objekten kann die kostbare GemĂ€ldesammlung nun dauerhaft in ihrer angestammten Heimstatt, dem altehrwĂŒrdigen Schloss Erbach, gezeigt werden. KunstschĂ€tze wie diese fĂŒr kommende Generationen zu erhalten und der Öffentlichkeit zugĂ€nglich zu machen, ist ein Kernanliegen der Kulturförderung des Bundes. Deshalb habe ich diesen Ankauf auch gern mit Mitteln aus dem Bundes-Kulturetat unterstĂŒtzt.“

Nach den Worten des GeneralsekretĂ€rs der Ernst von Siemens Kunststiftung, Dr. Martin Hoernes, ist es Grund zur Freude, „wenn hochkarĂ€tige Kunstwerke auf Dauer fester Bestandteil eines ursprĂŒnglichen Ensembles bleiben können“.

Auch Prof. Dr. Markus Hilgert, GeneralsekretÀr der Kulturstiftung der LÀnder, hob die originÀren ZusammenhÀnge an ihrem authentischen Ort, vor allem der niederlÀndischen PortrÀts von Mitgliedern der nassau-oranischen Dynastie, hervor.

Der Erhalt eines „kulturhistorischen Panoramas fĂŒr die Öffentlichkeit zur historischen, kulturellen, persönlichen Horizonterweiterung ist fĂŒr uns von ganz besonderem Wert“, sagte die GeschĂ€ftsfĂŒhrerin der Hessischen Kulturstiftung, Claudia Scholtz.

Unter den GemĂ€lden ragen 13 NiederlĂ€nder im so genannten Oraniersaal des Schlosses heraus. Man nimmt an, dass sie nach der Heirat des Grafen Georg Albrecht I. zu Erbach (1597-1647) mit einer Nichte Wilhelm des Oraniers (1533-1584), des „Vaters der Niederlande“, in das Schloss kamen.

Darunter befinden sich zwei dem flĂ€mischen Barockmaler und in England als HofkĂŒnstler wirkendem Anthonis van Dyck (und Werkstatt) zugeschriebene ganzfigurige Bildnisse von Johann VIII., Graf zu Nassau-Siegen, und Ernestine Yolanda, GrĂ€fin von Nassau-Siegen.

Kunsthistorisch höchst wertvoll sind auch die PortrĂ€ts des Frederik Hendrik von Oranien-Nassau (1584-1647) und der Amalia von Solms (1637-1708) heraus, die der Utrechter KĂŒnstler Gerard oder Gerrit van Honthorst (und Werkstatt) gleichfalls lebensgroß anfertigte, sowie ein von Wybrand de Geest aus Leeuwarden signiertes Bildnis des Ernst Kasimir, Graf zu Nassau (1573-1632).

Große Beachtung finden die illustrierten, 2.000 Seiten umfassenden Prachtkataloge des kunstsinnigen Franz I., die er eigenhĂ€ndig zur kritischen und wissenschaftlich einordnenden Bestandsaufnahme seiner Sammlungen von Antiken, Waffen, Geweihen sowie RĂŒstungen anfertigte.

Die BÀnde waren bisher im Tresor der grÀflichen Rentkammer unter Verschluss. Sie geben wichtige Hinweise zu seiner Gedankenwelt und zur Ideengeschichte der Epoche der AufklÀrung.

Dabei sind die Aufzeichnungen in mehreren BĂ€nden zu den auf einer Italienreise erworbenen AltertĂŒmern von hohem Interesse. Die Antikensammlung Franz‘ I. bildet heute die einzige des 18. Jahrhunderts in Deutschland, die in ihren dafĂŒr hergerichteten PrĂ€sentationsĂ€umen samt Bestandskatalogen erhalten ist.

Ein weiterer Band versammelt Notizen zu römischen AltertĂŒmern im Odenwald. Der Graf gilt als einer der ersten Landesherren, der sich in seinem Herrschaftsgebiet als Feldforscher am römischen Limes betĂ€tigte.

Ebenfalls erworben wurde eine GemĂ€ldegruppe mit religiösen Motiven, Epitaphien und ein spĂ€tgotischer FlĂŒgelaltar in der Hubertuskapelle des Erbacher Schlosses.

Wichtigstes SchaustĂŒck dort ist der Schöllenbacher Altar aus dem Jahr 1515, der schon 2005 gekauft und anschließend aufwĂ€ndig restauriert worden war. Nun geht auch ein weiterer Altar mit Szenen aus dem Marienleben vom ausgehenden 15. Jahrhundert in das Eigentum des Landes ĂŒber.

Über das von Wiprich von Langenau gestiftete Retabel (Mitteltafel und zwei Seitentafeln ohne Predella) gibt es kaum Erkenntnisse. Bemerkenswert in der Gruppe sakraler Werke ist auch das ÖlgemĂ€lde „Die Heilung des blinden BartholomĂ€us durch Christus“ von Artus Wolffaerts aus dem 17. Jahrhundert.