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Drei südhessische Landräte fordern neue Diskussion über Windkraft

Die Landräte der drei südhessischen Kreise Main-Kinzig, Odenwald und Rheingau-Taunus wehren sich gegen eine überproportionale Belastung ihrer Landkreise mit Windkraftanlagen. Foto: Wikipedia

Offener Brief an Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir: Thorsten Stolz, Frank Matiaske und Frank Kilian gegen zu hohe Belastung ihrer Landkreise

LANDKREISE MAIN-KINZIG / ODENWALD / RHEINGAU-TAUNUS. - Die Landräte des Main-Kinzig-Kreises, des Odenwaldkreises und des Rheingau-Taunus-Kreises haben Ministerpräsident Volker Bouffier und dessen Stellvertreter Tarek Al-Wazir in einem Offenen Brief aufgefordert, beim Bau von Windkraftanlagen in Hessen mehr „Augenmaß“ zu zeigen sowie eine neue politische Debatte über den Umfang dieser Art von Energieerzeugung und der geplanten Überbelastung ihrer drei Landkreise anzustoßen.

Thorsten Stolz (Main-Kinzig-Kreis), Frank Matiaske (Odenwaldkreis) und Frank Kilian (Rheingau-Taunus-Kreis) führen aus, dass 75 Prozent der Fläche, die im Teilplan Erneuerbare Energien als Windkraftvorranggebiete in Südhessen ausgewiesen sei, in ihren drei Kreisen lägen.

Die „überproportionale Belastung“, die so in den Teilplänen von Mittel- und Nordhessen nicht zu finden sei, werde dazu führen, dass „nahezu 100 Prozent unserer Kreisgebiete in punkto Landschaftsbild durch Windkraftanlagen beeinträchtigt werden“.

Von einem „gerechten Ausgleich“ der Interessen in punkto Windkraftstandorte, wie ihn CDU und Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hätten, könne keine Rede sein.

Die Landräte fordern Bouffier und Al-Wazir auf, eine Diskussion darüber anzustoßen, ob das Ziel, zwei Prozent der Landesfläche als Windvorranggebiete auszuweisen, für Südhessen „landespolitisch so gehalten werden kann beziehungsweise muss“.

Die konkreten Auswirkungen vor Ort mit einer Überbelastung einzelner Landkreise habe niemand beim hessischen Energiegipfel, der Jahre zurückliegt, vor Augen gehabt.

Sie verweisen außerdem darauf, dass heutige Anlagen wesentlich effektiver seien als frühere, so dass die Ziele des Energiegipfels sich auch „mit deutlich weniger Anlagen“ realisieren ließen. „Für uns – die wir uns klar zum gesamtgesellschaftlichen Ziel der Energiewende bekennen – steht dabei außer Frage, dass unsere Landkreise zum Gelingen dieses Ziels beitragen wollen und werden.“

Dies müsse aber mit Augenmaß angegangen und umgesetzt werden, „damit die für uns außerordentlich wichtige öffentliche Akzeptanz der Notwendigkeit einer Energiewende hin zu den Erneuerbaren vor Ort nicht unnötig zerstört wird“.

Die gleichlautenden Briefe an Volker Bouffier und Tarek Al-Wazi im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier, (Sehr geehrter Herr Staatsminister Al-Wazir,)

im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien CDU und Bündnis 90/Die Grünen wurde vereinbart, an den Festlegungen des Energiegipfels, 2 Prozent der hessischen Landesfläche als Windvorranggebiete auszuweisen, festzuhalten.

Der Koalitionsvertrag führt weiter aus, „dass erwartet wird, dass die Regionalversammlungen ihrer Verantwortung nachkommen und einen gerechten Ausgleich der Interessen herbeiführen“.

Wie Sie wissen wird in Südhessen gerade der Teilplan „Erneuerbare Energien“ (TPEE) des Regionalplans aufgestellt und soll voraussichtlich in diesem Jahr auch von der Regionalversammlung beschlossen werden.

Der letzte Entwurf dieses Teilplanes sieht vor, auf 1,7 Prozent der Fläche Südhessens, was insgesamt 12.475 ha entspricht, Windvorranggebiete auszuweisen.

Bei genauer Betrachtung der Planung ist festzustellen, dass 75 Prozent dieser Fläche (9.357 ha) in den Landkreisen Main-Kinzig-Kreis, Odenwaldkreis und Rheingau-Taunus-Kreis liegen.

Die Hauptlast der Windkraftstandorte tragen also im Gebiet Südhessen unsere drei Kreise. Von einem „gerechten Ausgleich“ im Sinne der Formulierung des Koalitionsvertrages kann hierbei in keiner Weise die Rede sein.

Sie führen im Koalitionsvertrag weiter aus, dass „die 2 Prozent Festlegung der Landesfläche der Steuerung dient und den Wildwuchs vermeidet, weil so 98 Prozent der Flächen verlässlich von Windkraft freigehalten werden“.

Diese Aussage können wir für unsere drei Landkreise nicht teilen, da die überproportionale Belastung dazu führen wird, dass nahezu 100 Prozent unserer Kreisgebiete in punkto Landschaftsbild durch Windkraftanlagen beeinträchtigt werden.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, (Sehr geehrter Herr Staatsminister Al-Wazir,) diese überproportionale Belastung unserer drei Kreise, die vergleichbar so in den Teilplänen von Mittel- und Nordhessen nicht zu finden ist, sollte nicht nur zur Kenntnis genommen werden, sondern eine politische Diskussion in Gang setzen, ob die Festlegungen des Energiegipfels ohne genaue Kenntnis der Auswirkung vor Ort in Südhessen so von der Landespolitik gewollt ist.

Diese Diskussion könnte auch vor dem Hintergrund stattfinden, dass die heutige Anlagentechnik wesentlich höhere Stromerträge ermöglicht als zum damaligen Zeitpunkt und die Ziele des Energiegipfels dadurch auch mit deutlich weniger Anlagen realisiert werden können.

Im Vordergrund dieser Diskussion muss deshalb die Frage stehen, ob das 2 Prozent-Ziel für Südhessen landespolitisch so gehalten werden kann bzw. muss.

Für uns - die wir uns klar zum gesamtgesellschaftlichen Ziel der Energiewende bekennen - steht dabei außer Frage, dass unsere Landkreise zum Gelingen dieses Ziels beitragen wollen und werden. Dies muss aber mit Augenmaß angegangen und umgesetzt werden, damit die für uns außerordentlich wichtige öffentliche Akzeptanz der Notwendigkeit einer Energiewende hin zu den Erneuerbaren vor Ort nicht unnötig zerstört wird.

Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie diese politische Diskussion anstoßen und wir somit zu einer gerechteren Verteilung der Lasten im Sinne der Formulierungen des Koalitionsvertrages kommen.

Für Gespräche stehen wir, die drei Unterzeichner, Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Thorsten Stolz
Landrat des Main-Kinzig-Kreises

Frank Matiaske
Landrat des Odenwaldkreises

Frank Kilian
Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises